Hat es der Goldpreis im frühen asiatischen Handel kurzzeitig über die Marke von 1.700 Dollar geschafft, kam im europäischen Handel bereits wieder Druck auf und die Bullen mussten diese runde Marke erneut preisgeben. Die höheren Renditen für US-Staatsanleihen zeigen mittlerweile Wirkung. Zum einen lasten sie direkt auf dem Goldpreis, zum anderen führt der Rendite-Spread gegenüber beispielsweise den Renditen im Euroraum dazu, dass der Dollar an Stärke gewinnt. Die Frage ist: Wieviel Spielraum gewährt die US-Notenbank den Renditen.
Um es klar zu machen: Die US-Notenbank wird sich sicherlich nicht um den Goldpreis scheren. Es geht hier um einen weitaus wichtigeren und um ein Vielfaches größeren Markt: Den Anleihemarkt. Bislang scheint die US-Notenbank der Meinung zu sein, nicht eingreifen zu müssen. Fed-Chef Powell hat zwar auf seiner letzten Rede gesagt, man habe die Renditen im Blick und haben die Mittel parat. Doch konkreter wurde er nicht. Verbale Interventionen sind nun auch nicht mehr möglich, da sich die Fed unmittelbar vor ihrer turnusmäßigen Sitzung in einer sogenannten Black Period befindet. Sprich: Fed-Mitgliedern ist es nicht gestattet, sich bis zur Sitzung in der kommenden Woche zur Notenbankpolitik zu äußern. Sehr wahrscheinlich wird aber die Fed spätestens bei einem Sprung der Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen über die Marke von 1,75 Prozent tätig werden. Denn eines darf nicht passieren: Der Anleihemarkt darf der Fed nicht entgleiten. Höhere Zinsen sind das letzte, was angesichts der rekordhohen Verschuldung zu verkraften wäre.
Der Goldmarkt leidet aktuell unter den höheren Renditen und dem stärkeren Dollar. Den eigentlich wichtigsten Faktor, die (voraussichtlich) stark steigende Inflation, die den Goldpreis eigentlich beflügeln müsste, blendet der Markt aktuell aus. Sicherlich, das ist eine Momentaufnahme und die Fed scheint der Meinung zu sein, eine aufkommende Inflation sei aufgrund des Basiseffekts nur ein temporäres Phänomen. Doch wenn man den stark steigenden Ölpreis betrachtet (heute kletterte Brent über die 70-Dollar-Marke) und die ebenfalls anziehenden Notierungen für Industriemetalle und Agrarrohstoffe miteinbezieht, dann dürfte die Inflation deutlich über zwei Prozent steigen. Und ob es wirklich nur ein temporäres Phänomen ist, wird sich sicherlich erst im kommenden Jahr zeigen.
Kurzum: Aktuell fokussiert sich der Markt auf alles, was dem Goldpreis schadet. Positive Faktoren werden ausgeblendet. Wir haben so etwas in der Vergangenheit bereits öfter erlebt. Doch auf Dauer kann Gold die anziehende Inflation nicht ignorieren und dürfte davon (deutlich) profitieren.