Derzeit verhandeln China und die USA in London, um ihren Handelsstreit zu beenden. Zwischenresultate wurden noch nicht bekannt. Doch abseits der Gespräche geht es auch um große Flugzeug-Bestellungen. China lässt durchblicken, eine riesige Airbus-Menge zu ordern, zeigt jedoch auch wieder Interesse an Boeing. Derweil bremst auch die USA.
Am Pfingstmontag begannen neue Verhandlungen zwischen China und den USA, um den vom US-Präsidenten losgetretenen Zoll- und Handelskrieg zu beenden. Der Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hasset sagte gestern dem Sender CNBC, er erwarte ein kurzes Treffen "mit einem kräftigen Händedruck". Vor etwa einem Monat hatten sich beide Seiten in Genf noch auf eine 90-tägige Pause im Zollstreit und eine deutliche Herabsetzung der Aufschläge für Waren aus dem jeweils anderen Land geeinigt. Hauptstreitthema scheinen diesmal Handelsbeschränkungen zu sein.
Dabei spielen Chinas Exportkontrollen auf seltene Erden eine Rolle. Washington will eine Lockerung erreichen. In Gegenzug könnten die USA ihre Handelsbeschränkungen etwa im Bereich Computerchips oder Flugzeug-Bauteilen, wo China von ausländischer Technologie abhängig ist, zurückfahren.
Zunächst erhöhen die USA jedoch den Druck. Chinas Flugzeugbauer Comac erhält vorerst keine Triebwerks-Komponenten mehr, berichtete die New York Times. Die US-Administration reagiere damit auf "Chinas jüngste Beschränkungen für den Export kritischer Mineralien" in die USA, die "die Lieferketten von US-Unternehmen zu lähmen drohen."
Der Beschluss der Trump-Regierung dürfte vor allem die Produktion des Airbus-A320-Konkurrenten C919 ausbremsen, der bisher ausschließlich mit LEAP-Triebwerken aus dem Westen fliegt. Hersteller dieser Triebwerke sind CFM und MTU Aero Enginges.
Großes Jubiläum
Unterdessen verstärken sich wieder Gerüchte, dass China vor einer Mega-Bestellung von Airbus-Maschinen steht und Boeing "nur die zweite Geige spielt". Bereits im April wurde darüber berichtet, dass China in Verhandlungen über den Kauf von bis zu 500 Jets stehe. Möglicherweise schon in der kommenden Woche könnten entsprechende Verträge mit den Europäern unterzeichnet werden. Denn am 16.Juni beginnt die Paris Air Show. Auf der Luftfahrtmesse werden oft große Deals verkündet.
Die Bestellung würde die Rekordbestellung von 300 Schmalrumpf-Flugzeugen des Typs Airbus im Wert von 37 Milliarden US-Dollar aus dem Jahr 2022 übertreffen, die die drei größten Fluggesellschaften Chinas, Air China, China Southern Airlines und China Eastern Airlines, abgeschlossen hatten. Analysten zufolge hat China noch ein Defizit an Flugzeugen, nachdem es sich mehr als fünf Jahre lang mit weiteren Großaufträgen zurückgehalten hat.
Die Volksrepublik hatte jedoch wiederholt signalisiert, große Jet-Bestellungen zeitgleich mit Staatsbesuchen zu tätigen. Die Airbus-Bestellung könnte daher auch erst erfolgen, wenn europäische Staats- und Regierungschefs Peking besuchen, wie Bloomberg News unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtete. Anlässlich des 50. Jahrestages der diplomatischen Beziehungen zwischen China und der EU reisen dann der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und weitere europäische Staats- und Regierungschefs nach China reisen.
Pendel-Diplomatie
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch Boeing einen Teil des Milliarden-Kuchens abbekommt. Die Amerikaner stehen offenbar vor einer Wiederaufnahme von Auslieferungen an chinesische Fluggesellschaften. Boeing hat eine 737 Max nach China zurückgeflogen, nachdem die bereits ausgelieferte Maschine zuvor ab Boeing zurückgegeben wurde (DER AKTIONÄR berichtete). "Return to Sender" hieß es damals in der Zollspirale.
Das Entspannungssignal sorgte am Montag direkt für weiter steigenden Kurse der Boeing-Aktie. Zur New Yorker Schlussglocke stand ein Tagesplus von über drei Prozent auf 217,51 Dollar an der Anzeigetafel – Tagessieg im Dow Jones und der höchste Stand seit Januar 2024.
Die kanadische Bank RBC hat Boeing gerade mit "Outperform" und einem Kursziel von 230 US-Dollar bestätigt. Auf der ab 15. Juni startenden Pariser Luft- und Raumfahrtmesse dürfte es wieder zu vielen Bestellungen kommen – sowohl für Boeing als auch für Airbus, schrieb Ken Herbert in einer Sektorstudie. Die Stimmung rund um die Airshow und die Branche basiere daher oft auf der Auftragslage. Der Fokus liege derzeit allerdings auf der Lieferkette und deren Fähigkeit, die erwarteten kommerziellen Produktionsraten und Auslieferungen im Zeitraum bis 2028 zu unterstützen. Herbert rechnet nicht mit Neuigkeiten, die den optimistischen Branchenausblick negativ beeinflussen dürften.
Die Airbus-Aktie beließ Herbert ebenfalls auf "Outperform" – mit einem Kursziel von 185 Euro. Am Dienstag-Mittag notiert das DAX- und EuroStoxx-50-Schwergewicht in abgeschwächtem Börsenumfeld im günen Bereich bei 165,74 Euro. Anfang März hatte Airbus bei 177,36 Euro ein neues Allzeithoch erreicht.
Airbus und Boeing sind derzeit gewissermaßen "Verhandlungsmasse" im Handelsstreit zwischen USA und China. Beide Unternehmen bleiben mit ihren Produkten der Luft- und Raumfahrt-Branche gut positioniert und aussichtsreich. Angesichts der weiterhin ungelösten Qualitätsproblematik bei einigen Boeing-Jets sowie weiteren Produktionseinschränkungen, bevorzugt DER AKTIONÄR die Airbus-Aktie.
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