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Foto: Covestro
12.05.2022 Thorsten Küfner

Covestro-CFO Toepfer: "Wir gehen voran"

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Die Chemiebranche hat es derzeit an der Börse sehr schwer. Zum einen belasten Konjunktursorgen und kräftig gestiegene Energiekosten. Zum anderen fürchten Marktteilnehmer, dass es im Zuge eines möglichen Gas-Lieferstopps aus Russland zu Produktionsschließungen kommen könnte. DER AKTIONÄR hat die gesamte Branche daher genauer unter die Lupe genommen.

DER AKTIONÄR sprach außerdem mit dem Finanzvorstand des Chemiekonzerns Covestro, Dr. Thomas Toepfer, über das vergangene Quartal sowie die kurz- bis langfristigen Aussichten und Herausforderungen für das Unternehmen.

Herr Dr. Toepfer, wie zufrieden sind Sie mit der Geschäftsentwicklung von Covestro in diesen herausfordernden Zeiten?

Wir sind mit einem EBITDA von 806 Millionen Euro erfolgreich in das Jahr 2022 gestartet. Damit liegen wir über dem Vorjahr und auch genau in der Mitte der Prognose, die wir für das erste Quartal abgegeben hatten – 750 bis 850 Millionen Euro. Insofern war das ein guter Start, der zwei Dinge zeigt: Erstens war die Nachfrage nach unseren Produkten weiterhin sehr hoch. Und zweitens ist es uns gelungen – weil die Nachfrage so hoch war – über 90 Prozent der gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten an unsere Kunden weiterzugeben. Das ist meiner Meinung nach ein sehr respektables Ergebnis.

Gleichwohl haben sich aus unserer Sicht die Aussichten für das laufende Jahr eingetrübt. Das bedeutet, dass wir für das zweite Quartal bereits sehen, dass der Lockdown in China uns betreffen wird. Wir haben eine große Anlage in Shanghai, die wir zwar weiter betreiben können, weil sich unsere Mitarbeitenden vor Ort in einer Art Blase befinden. Aber die negativen Effekte auf unser Geschäft sind dennoch erheblich. Durch die Lockdown-Maßnahmen gibt es etwa logistische Engstellen und Einschränkungen bei der Verfügbarkeiten von Material.

Insofern ist der weitere Ausblick auf das Jahr durch die Situation in China und die zurückgenommenen Erwartungen für das weltwirtschaftliche Wachstum eingetrübt.

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Dr. Thomas Toepfer ist seit 2018 Finanzvorstand bei Covestro.

Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie in Zukunft umsetzen, um die Energiekosten nicht zu hoch steigen zu lassen?

Wir fokussieren uns noch stärker auf unsere Vision, die lautet: Wir richten uns vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auf. In diesem Zusammenhang wollen wir langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen werden. Wir haben etwa schon Strom aus Windkraftanlagen eingekauft, der sich jetzt mehr denn je rentiert. Wir haben eine Vereinbarung über die Lieferung von grünem Wasserstoff ab 2024 mit Fortescue Future Industries abgeschlossen. Wir haben mehrere Energieeffizienzprogramme in unseren Anlagen laufen, um unseren Stromverbrauch weiter zu senken. Alle diese Dinge, die uns unabhängiger von fossilen Rohstoffen machen, werden wir weiter vorantreiben.

Dazu kommt: Die Nachfrage nach unseren Produkten sollte von der aktuellen Situation langfristig profitieren. Denn MDI ist das perfekte Material zur Isolierung, daran kommt man beim Thema Energieeffizienz nicht vorbei. Oder Elektroautos, für die unser Polycarbonat genutzt wird. Insofern sehen wir die gegenwärtige Entwicklung zwar als eine Eintrübung für das Jahr 2022, aber nicht als eine Verschlechterung unserer mittel- bis langfristigen Aussichten – ganz im Gegenteil.

Wie hoch ist die direkte und indirekte Abhängigkeit von Covestro von russischem Gas? BASF sagte etwa, dass es bei deutlich geringen Lieferungen aus Russland zu Produktionsstopps kommen dürfte. Wie sieht es diesbezüglich bei Covestro aus?

Das ist schwierig pauschal zu beantworten. Grundsätzlich verstehen wir den Wunsch, dass Deutschland und die deutsche Industrie sich so schnell wie möglich unabhängig macht von russischen Energieimporten. Das unterstützen wir voll und ganz und daher forcieren wir auch die eben beschriebenen Schritte.

Wir glauben aber auch: Kurzfristig ist die komplette Unabhängigkeit von russischer Energie nicht so schnell möglich, wie man sich das wünschen würde. Im Umkehrschluss: Sollte es zu einem unmittelbaren und abrupten Lieferstopp kommen, dann hätte das gravierende Folgen für die Industrie und die Produktion. Das hängt immer davon ab, ob das etwa im Sommer passiert, wo der Gasverbrauch deutlich geringer ist. Aber käme es zu einem 50-prozentigen oder sogar 100-prozentigen Lieferstopp aus Russland, dann hätte das spätestens im kommenden Winter aus unserer Sicht zufolge, dass einzelne Anlage wahrscheinlich komplett stillgelegt oder gedrosselt werden müssten.

Die Effekte sind sehr schwer abzuschätzen, weil wir in Deutschland eine sehr integrierte Produktionskette haben. Wenn eine Anlage steht, hat das dann natürlich erhebliche Effekte auf die nachgelagerten Industrien. Insofern ist unsere klare Meinung: Die wirtschaftlichen Effekte wären im Hinblick auf Disruption in der gesamten Industrie und hinsichtlich der Arbeitsplätze erheblich. Wir schließen uns also der Meinung an, dass das für die deutsche Wirtschaft ganz erhebliche Folgen hätte.

Inwiefern hat der Krieg und seine Folgen Ihre kurz- und langfristigen Planungen verändert? Was will Covestro beispielsweise stärker forcieren?

Strategisch hat es tatsächlich unsere Positionierung nicht verändert, sondern eher verstärkt. Denn die Fokussierung auf Erneuerbare Energien und auf alternative Rohstoffe ist aktueller denn je. Und das treiben wir jetzt weiterhin konsequent voran.

Das gilt auch für unsere Produkte. Wir haben das Ziel, jedes unserer Produkte in einer klimaneutralen Version anzubieten. Das ist uns jetzt auch mit dem ersten klimaneutralen MDI als Weltneuheit gelungen. Wir schaffen es also immer mehr, nicht-fossil-basierte Rohstoffe in unseren Anlagen einzusetzen und Produkte mit identischer Qualität komplett CO2-neutral an unsere Kunden zu liefern. Strategisch hat sich also nichts geändert.

Kurzfristig sehen wir uns aber natürlich damit konfrontiert, dass wir die erheblichen Preisanstiege für Energie und Rohstoffe an unsere Kunden weitergeben müssen. Das hat im ersten Quartal sehr gut funktioniert. Nun ist es natürlich die Frage, wie uns das über das gesamte Jahr hinweg gelingen wird, sollte sich die Weltwirtschaft eintrüben.

Covestro
Covetsro-Dividende in Euro je Aktie

Wie zufrieden sind Sie derzeit bei der Preisentwicklung bei TDI, MDI sowie anderen wichtigen Produkten?

Die Margen für alle großen Produkten haben sich im ersten Quartal sehr stabil gehalten. Das ist positiv und unterstreicht noch einmal genau das, was ich sagte. Dann gibt es immer Sondereffekte in einzelnen Regionen bei einzelnen Produkten. So sind etwa die Preise und Margen für Polycarbonat in China gesunken. Das war zu erwarten, weil dort zusätzliche Kapazitäten an den Markt gekommen sind. Aber insgesamt haben sich die Margen weltweit auf einem guten Niveau gehalten. Das stimmt uns zuversichtlich, denn wir sehen das auch an unseren eigenen Preisen. Wir konnten die gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten zu über 90 Prozent an unsere Kunden weitergeben. Also hat die Marge im ersten Quartal kaum gelitten. 

Und welche Entwicklung bei Angebot und Nachfrage erwarten Sie hier für die kommenden Quartale?

Wir glauben, dass das weltwirtschaftliche Wachstum schwächer ausfallen wird, als es zu Beginn des Jahres prognostiziert wurde. Das haben wir auch bei unserem gesenkten Ergebnisausblick für das Gesamtjahr 2022 berücksichtigt. Wir sehen hier zwei Folgen: Die Nachfrage und das Volumen könnten leicht geringer ausfallen, obwohl wir immer noch ein mittleres einstelliges Volumenwachstum haben, was nicht schlecht ist. Das könnte auch bedeuten, dass die Margen bei einzelnen Produkten und in manchen Regionen etwas sinken werden. Das ist ebenfalls in unserer Prognose berücksichtigt. Hier hatten wir aber auch schon Anfang des Jahres erwartet, dass es in diesem Jahr – relativ zu der sehr starken Entwicklung 2021 – zu einer Normalisierung kommen würde. 

Abgesehen vom Krieg: Wo sehen Sie für Covestro beziehungsweise für die Chemiebranche allgemein die größten Herausforderungen?

Hier sehen wir klar die Themen Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Wir haben Anfang des Jahres klare Klimaziele für Covestro veröffentlicht. Wir wollen bezogen auf die Scope-1- und Scope-2-Emissionen bis 2035 komplett klimaneutral sein und bis 2030 eine 60-prozentige Reduktion erreicht haben. Das ist aus meiner Sicht eine große Herausforderung für die gesamte Industrie und wir als Covestro gehen hierbei voran.

Das andere ist die Wettbewerbsfähigkeit im Lichte höherer Energiepreise. Hier sehen wir, dass es insbesondere zwischen Europa und den USA ein starkes Gefälle gibt. Das ist bei unseren Produkten noch verkraftbar, weil wir aufgrund unserer sehr effizienten Anlagen auch Kostenführer sind. Aber natürlich hängt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie langfristig davon ab, dass wir in Europa wettbewerbsfähige Bedingungen haben. Und Energie ist da ein ganz wesentlicher Faktor.

Covestro (WKN: 606214)

DER AKTIONÄR ist für die Aktie von Covestro trotz aller Risiken und Herausforderungen zuversichtlich gestimmt. Die aktuelle Bewertung scheint die starke Marktstellung, die solide Bilanz und das mittel- bis langfristig hohe Ertragspotenzial des Unternehmens nicht korrekt widerzuspiegeln. Mutige können daher dabeibleiben (Stopp: 34,00 Euro). 

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