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20.03.2020 DER AKTIONÄR

Interview mit George Gilder: Das Leben nach Google

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Vom Tech-Giganten zum Auslaufmodell? Bestsellerautor und Experte George Gilder erklärt im Gespräch mit dem AKTIONÄR, warum das ­Google-Zeitalter zu Ende geht und wie die Welt danach aussehen wird. 

Das Geschäftsmodell von Google, aufgebaut auf Big Data und finanziert durch Werbeeinnahmen, steht vor dem Aus. An seine Stelle tritt die revolutionäre Blockchain-­Technologie, welche die großen Internetfirmen in Bedrängnis bringen wird. George Gilder, einer der führenden Wirtschafts- und Technologie-Experten, beschreibt in seinem neu erschienenen Buch „Das Leben nach Google“ diesen fundamentalen Umbruch und zeigt, wie die Welt in einem Zeitalter nach Google aussehen wird: sicherer, werbefrei und kostenpflichtig. Im Gespräch mit dem AKTIONÄR verdeutlicht Gilder, wie sehr sich Google mit seinem Geschäftsmodell ins Abseits manövriert hat und welche Vorteile demgegenüber die Blockchain-­Technologie aufweist.

„Gilder hat sich selbst ­übertroffen. Sein Buch bietet eine ­unschätzbare Roadmap für die ­Zukunft.“ The American Spectator

DER AKTIONÄR: Was hat Sie bewogen, das Buch „Das ­Leben nach Google“ zu schreiben? 

George Gilder: 1990 hatte ich „Life After Television“ geschrieben, das die Revolution der Glasfasertechnik und der Smartphones vorwegnahm. Ich formulierte es damals so: „Der Computer der Zukunft wird so tragbar sein wie Ihre Uhr und so persönlich wie Ihre Brieftasche. Er wird Sprache erkennen und durch die Straßen navigieren. Er wird Ihre Nachrichten und Ihre Post sammeln. Er wird Links zu Internetadressen auf der ganzen Welt herstellen. Er wird vielleicht nicht ‚Windows‘ beherrschen. Aber er wird Türen öffnen. Türen der Wahrnehmung. Türen zu Ihrer Zukunft.“ Steve Jobs verteilte das Buch an seine Kollegen und es dürfte die Entwicklung des Smartphones, das ich „Teleputer“ nannte, beeinflusst haben. So etwas wollte ich wieder tun! Seit 1990 haben sich viele Dinge geändert: Das Silicon Valley hat eine Art von neuem Marxismus übernommen, der auf der Idee basiert, dass Maschinen letztendlich den menschlichen Verstand an sich reißen werden. Ich wollte diese Behauptung widerlegen und die wahren Aussichten skizzieren. 

Könnten Sie unseren Lesern etwas über Ihren Hintergrund erzählen? 

Ich habe in Harvard bei Henry Kissinger studiert und mich auf das Wettrüsten und seine Auswirkungen spezialisiert. Ich war der Meinung, dass sich der technologische Rüstungswettlauf aus Innovationen speist und freie Nationen begünstigt, während der quantitative Rüstungswettlauf immer mehr Männer und Ressourcen einer Nation mobilisiert, Tyranneien begünstigt und eher in einem Krieg gipfelt. Seitdem habe ich etwa 20 Bücher geschrieben, da­runter „Reichtum und Armut“, das auch auf Deutsch erschien. In den letzten Jahren habe ich mich auf Spitzentechnologie spezialisiert und eine Reihe von Büchern und Investmentempfehlungen über die physischen Grundlagen der Halbleiterindustrie geschrieben. Meine Informationstheorie der Wirtschaft wird in drei Büchern erläutert: „Knowl­edge and Power“, „The Scandal of Money“ und „Das Leben nach Google“. 

Sie beschreiben in Ihrem Buch zunächst die faszinierende Unternehmensentwicklung von Google. Wa­rum ist das Google-Zeitalter dann Ihres Erachtens vorbei, was ist falsch an Googles Geschäftsmodell?  

Der Erfolg von Google basiert auf einer Strategie des „Anhäufens und Werbens“. Aber die sogenannten „Anzeigen“ sind in Wirklichkeit Nachteile – ich nenne sie „entwertete Werbung“. Die Leute wollen diese Pop-ups und Einblendungen nicht sehen und auf ihren mobilen Geräten klicken sie nur selten darauf. Ich prophezeie das endgültige Scheitern des Plans von Google, Informationen von seinen Nutzern durch ein kostenloses Warenangebot zu sammeln und sie dann mit Werbeanzeigen zu bombardieren, die sie nicht wollen. Amazon holt Google bereits bei der Internetwerbung ein und chinesische Rivalen wie Alibaba und Tencent generieren weniger als 20 Prozent ihrer Einnahmen aus Werbeanzeigen im Vergleich zu den 90 Prozent von Google. Google braucht zahlende Kunden und nicht nur Nutzer, die von seinen oft brillanten kostenlosen Dienstleistungen angezogen werden. 

Warum glauben Ihrer Ansicht nach Google und das Silicon Valley, dass die künstliche Intelligenz den menschlichen Verstand überflüssig machen wird, wir also bald maschinelle Lernwerkzeuge und Robotik produzieren werden, die die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns übertreffen?  

Weil die künstliche Intelligenz die Menschen dumm macht, sogar die Führungskräfte von Google. Die künstliche Intelligenz ist deterministisch und eignet sich daher hervorragend für Spiele und andere Anwendungen, bei denen die gleichen Eingaben immer die gleichen Ausgaben erzeugen. Aber die Welt ist nicht so. Die Karte ist nicht dasselbe wie das Gebiet. Symbole und Objekte müssen durch den menschlichen Verstand verbunden werden, der im Vergleich zu Computern milliardenfach komplexer und energieeffizienter ist.

George Gilder, Das Leben nach Google, 352 Seiten, 24,90€ - Das Geschäftsmodell der kostenlosen Internetdienste stößt an seine Grenzen, die Internet­sicherheit ist längst ausgehebelt. Tech-Prophet George Gilder ­beschreibt den uns bevorstehenden Umbruch: eine von den Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie getriebene Entflechtung des Internets und die Demokratisierung der Macht von Google und anderer Daten-Giganten. Das Modell der Zukunft: dezentral, sicher, ­kostenpflichtig, werbefrei. Gilders topaktuelles Buch ist ein Plädoyer für die Krypto-­Welt und die Abkehr von der Google-­Dominanz.

Haben Sie mehr Vertrauen in die virtuelle Realität als in die künstliche Intelligenz, weil VR die Wahrnehmungsmöglichkeiten des menschlichen Verstands vergrößert, anstatt diese – wie KI – einzuschränken?

Ja, das Silicon Valley sollte in der Wirtschaft den menschlichen Verstand stärken und unterstützen, nicht ersetzen. Eine Strategie, die die eigenen Kunden überflüssig macht, wird wahrscheinlich keinen Erfolg haben. 

Warum sollten wir den Kryptowährungen und der Blockchain anstelle von Google vertrauen? Kann uns die Blockchain schützen, beispielsweise vor Wahlbetrug? 

Man kann von einem beschädigten Leitbild sprechen, wenn die Ergebnisse umso schlechter werden, je mehr man dafür ausgibt. Hacker auf der ganzen Welt haben 2019 rund acht Milliarden personenbezogene Daten ins Netz gestellt, 800 Prozent mehr als im Jahr 2018, und das trotz ständig steigender Ausgaben für die Internetsicherheit. Zentralbanker hacken seit Jahrzehnten das internationale Währungssystem, während Handels- und Währungskriege ausbrechen und der Devisenhandel mit 6,7 Billionen Dollar pro Tag an Transaktionen – etwa dem 25-Fachen des weltweiten BIP – zum größten Wirtschaftszweig der Welt wird. Die Blockchain bietet ein neues Sicherheitsmodell für das Internet und eine neue Grundlage für das Geld weltweit. Im Zuge der Entwicklung und des weltweiten Einsatzes wird sie für viele Anwendungen genutzt werden, wie etwa sichere Wahlregister und Privatbesitz. 

Stellt die dezentralisierte Form der Blockchain die Quintessenz des Kryptokosmos dar? 

Ja, der Kryptokosmos wird sicherer, je mehr Leute ihn benutzen – im Gegensatz zu zentralisierten Datenbanken, die mit mehr Benutzern anfälliger werden. Jeder neue Benutzer einer Blockchain bietet eine Gewähr für Übereinstimmung und Bestätigung, während jeder neue Benutzer einer zentralisierten Datenbank deren „Angriffsfläche“ und Verwundbarkeit erweitert. 

Sie sprechen davon, dass Sicherheit eine Architektur sein sollte und im Kryptokosmos an oberster Stelle steht – warum hat Ihrer Ansicht nach das Silicon Valley das Thema Sicherheit aufgegeben? 

Das Silicon Valley fiel auf den Sirenengesang der Werbebranche herein, die den Nutzern im Tausch gegen ihre Daten kostenlose Waren anbietet, anstatt sich gegenüber zahlenden Kunden zu verpflichten. 

Sie gehen in Ihrem Buch auf LIDAR ein, eine Methode in der Autoindustrie zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Werden wir Ihrer Meinung nach in naher Zukunft vollständig selbstfahrende Fahrzeuge haben? Um welche Unternehmen geht es dabei? 

In „Das Leben nach Google“ erzähle ich die Geschichte des LIDAR-Unternehmens Luminar, das Volkswagen und Volvo als erste Kunden hatte. Ich glaube, der Traum von kartenbasierter KI-Autonomie ist eine Illusion. Die Karte ist wie gesagt nicht dasselbe wie das Gebiet. Selbstfahrende Fahrzeuge sind eher eine Hardware-Herausforderung der industriellen Bildverarbeitung als eine Software-­Herausforderung großer Datenmengen und maschinellen Lernens. 

Auch Google wird aus Ihrem Buch wichtige Erkenntnisse gewinnen. Wurden Sie von Google eingeladen, über das Buch zu sprechen oder darüber, welche positiven Konsequenzen Google daraus ableiten könnte? Oder werden Sie von Google für Ihr Buch kritisiert? 

Google hat mir mitgeteilt, dass ich zu seinem Vortragsprogramm eingeladen werde, das ist aber noch nicht geschehen. 

Sollten unsere Leser Ihrer Meinung nach trotzdem in Aktien von Tech-Giganten wie Google investieren? Welche Investment-Alternative(n) würden Sie empfehlen? 

Google verfügt über eine unglaubliche, weltweit führende Technologie. Inbegriff dessen ist nicht nur seine Suchmaschine, sondern auch seine KI-Software Alphafold, die im vergangenen Jahr einen erstaunlichen Durchbruch auf dem Gebiet der Proteinfaltung erzielte. Aber sein Geschäftsmodell und seine Einstellung gegenüber der Öffentlichkeit sind zutiefst fehlerhaft. Mit brillanten Konkurrenten in China und den USA hat Google zwar kein Monopol, aber den Zorn der Kartellbehörden rund um den Globus geweckt. Es dringt nicht in die Privatsphäre ein, doch wird es in Europa und den Vereinigten Staaten als Eindringling in die Privatsphäre angeklagt. Google braucht mehr zahlende Kunden. Wenn es sie durch die Ausnutzung von Mikrozahlungen und Blockchains gewinnen kann, könnte es die nächste Ära anführen, so wie es die vergangene Ära angeführt hat. 

Welches Fazit können unsere Leser aus Ihrem Buch ziehen? 

Meine Leser können die enorme Chance erkennen, welche die Blockchain bei der Lösung der Krise der Internetsicherheit und des globalen Geldskandals bietet. Sicherheit ist kein optionales Add-on für Netzwerke und Volkswirtschaften; sie ist eine unverzichtbare Grundlage für diese. Geld ist kein Spielzeug für Politiker und Zentralbanken. Es ist ein Maßstab für Unternehmen und wie alle Maßstäbe hat es letztlich seine Wurzeln in der paradoxen Knappheit und Unendlichkeit der Zeit. Zentralbanken können „Geld“ drucken, aber keine Zeit.

Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 13/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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