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03.12.2020 Leon Müller

Leon Müller: Hype versus Wert

Ist Tesla 555 Milliarden US-Dollar wert, oder ist das nur der Preis, den Investoren derzeit bereit sind, für den E-Auto-Hersteller aus Kalifornien zu zahlen? Weitergedacht: Wäre überhaupt irgendjemand bereit, diesen Preis zu bezahlen, ginge es darum, das Unternehmen in Gänze, also vollständig, zu kaufen? Ist Apple 2,1 Billionen US-Dollar wert, Amazon 1,6 Billionen? Für sich genommen? In Relation zum DAX, dessen 30 Mitglieder in Summe (!) mit 1,2 Billionen Euro bewertet werden? 30 Firmen, darunter Volkswagen, Deutsche Telekom und SAP.

An der Börse werden nicht nur Werte gehandelt, sondern vor allem Erwartungen. Wer jedoch auf Spekulantentum verweist, macht es sich zu einfach. Die Börse gewährt größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Ermittlung von Werten, echten wie abstrakten, weil in die Zukunft gerichteten. Abseits der Börse ist es noch weitaus schwieriger, den Wert eines Gutes – in diesem Fall eines Unternehmens – zu ermitteln.

Beispiel: N26. Die Onlinebank wird von Investoren auf Grundlage von Daten zur jüngsten Finanzierungsrunde mit 3,5 Milliarden US-Dollar bewertet. 3,5 Milliarden US-Dollar für ein Unternehmen, das Onlinekonten anbietet, strategisch in der Sackgasse steckt und sich jetzt mit einem Tagesgeldangebot versucht als innovativer Challenger darzustellen. Ist N26 fair bewertet? Noch entscheiden nur eine Handvoll großer Investoren über den für sie fairen Wert dieser Firma. Sollte N26 jemals ein öffentliches Angebot wagen, eine Börsennotiz anstreben, wird die Markttransparenz offenlegen, wie viel die Firma wirklich wert ist.

Zurück zu Tesla. Die Firma von Elon Musk wird derzeit zum 1.120-Fachen des erwarteten Gewinns gehandelt. Im Klartext: 1.120 Jahre müssen vergehen, ehe die Firma die Gewinne (Ceteris paribus) erwirtschaftet hat, die man heute bezahlt. Würden Sie eine solche Firma kaufen, in der Erwartung, 1.120 Jahre auf die Erwirtschaftung des Gewinns zu warten? 

Selbstverständlich ist diese Frage rein theoretischer Natur. Schließlich gehen Sie vermutlich wie wir davon aus, dass Tesla den Gewinn in den kommenden Jahren vervielfachen wird, sich der Zeitraum folglich verringert und das Kurs-Gewinn-Verhältnis damit merklich schrumpft. Dennoch sollten Anleger darauf achten, dass diese Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität nicht zu sehr auseinanderklafft. Tut sie es, bildet sich eine Blase. Blasen haben die Eigenschaft, irgendwann zu platzen. Und platzen sehen möchte niemand ein Investment. 

DER AKTIONÄR hat sich daher in dieser Ausgabe die Lieblingsaktien deutscher Anleger vorgeknüpft, darunter auch Tesla, aber auch Apple, Plug Power oder RWE. Einige von ihnen haben ein Eigenleben entwickelt, sind wie Tesla zu Momentum-Monstern geworden, die – getrieben auch von Neo-Broker-Kunden etwa bei Robinhood – einfach steigen, weil sie steigen, und nicht, weil es die Entwicklung der dahinterstehenden Firmen untermauert. Wo Anleger Vorsicht walten lassen sollten und bei welchen "Lieblingen" echte Chancen auch auf dauerhaften Profit bestehen, lesen Sie in unserer ausführlichen Titelgeschichte.

Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 50/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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