Bereits im ältesten Buch über die Börse thematisierte Joseph de la Vega die Vergänglichkeit von Börsengewinnen. Das sei normal und liege in der Natur der Sache. Ein paar Gedanken zu Modeaktien, Manien, Blasen und Crashs.
Es ist das älteste Buch über die Börse. Empfohlen hat es mir damals mein Freund André Kostolany. Als ich es verlegte, verfasste er für die deutsche Ausgabe ein Vorwort. Eines der Bücher, die auch nach Jahren, Jahrzehnten und in diesem Fall Jahrhunderten noch Gültigkeit besitzen. Zum Thema Börsengewinne findet sich darin eine wunderschöne Passage: „Die Börsengewinne sind Koboldschätze. Bald sind sie Karfunkelsteine, bald Kohlen, bald Diamanten, bald Kiesel, bald Morgentau, bald Tränen.“ Oder anders gesagt: Was heute fantastisch aussieht kann morgen schon ganz anders sein. Die Börse schwankt. Manchmal auch stark. Viel zu oft beschwören vermeintliche Experten dann den großen Crash oder reden von der gigantischen Blase, die kurz vor dem Platzen steht.
Natürlich gab es in der Historie der Kapitalmärkte Blasen. Und alle zeichneten sich durch den gleichen Mix an Zutaten aus:
Erstens: Gier. Es geht auf einmal nicht mehr um Kursgewinne, Rendite oder Vermögensaufbau. Es geht um Reichtum, Statussymbole und die Angst, den Deal, der das eigene Leben komplett verändern kann, zu verpassen.
Zweitens: Euphorie. Egal wie utopisch Kursziele sind, sie werden gern geglaubt. Auch die Wachstumsaussichten von Unternehmen sind in solchen Phasen niemals nur gut. Sie sind astronomisch, fantastisch und noch niemals da gewesen.
Drittens: Einmaligkeit. „Dieses Mal ist alles anders!“ Vermutlich einer der teuersten Sätze, die ein Anleger sagen kann. Der Glaube daran, dass Bewertungskennzahlen nicht mehr zählen, klassische Analysemethoden der Boombranche einfach nicht gerecht werden und ein Chart auch über Monate nur senkrecht nach oben gehen kann.
Und viertens: die Herde. Irgendwann geben auch die letzten Zweifler auf. Dann sind alle überzeugt. Und fühlen sich gut. Alle sind ihrer Meinung. Jeder hat den Schlüssel zu Glück und Reichtum in der Hand. An einem Punkt gibt es keine Zweifler mehr. Nur noch Gläubige.
Das ist dann der Punkt, an dem alle investiert sind. An dem keiner mehr kaufen kann, da alle schon gekauft haben, manche vielleicht sogar auf Kredit. Ab dann kann es nur noch abwärts gehen. Dann platzt die Blase. Dann erleben wir einen Crash.
Crashs habe ich schon einige gesehen. Ob 1987, 2000, 2008 oder Corona. Crashs kommen aus dem Nichts. Echte Blasen habe ich noch nicht so viele erlebt. Viele Entwicklungen, die voreilig den Stempel „Blase“ erhalten hatten, waren an der Börse schon kurz danach kein Thema mehr.
Aktuell haben viele Angst vor der KI-Blase. Den Bewertungen von Nvidia und Co. Meiner Meinung nach ist das unnötig. Diverse Unternehmen aus dem Bereich korrigieren regelmäßig. Das ist gesund. Die pure Menge der Warner zeigt ebenfalls, dass wir uns weit entfernt von Euphorie befinden. Im Markt grassiert eher die Angst vor einem baldigen Crash – auch weil einige namhafte Investoren große Tech-Pakete verkauft haben.
Wie gesagt: Crashs kommen aus dem Nichts. Mich würde es sehr wundern, wenn wir nun einen mit Ansage erleben würden. Heißgelaufene Werte können und werden korrigieren. Aber das gilt immer – und nicht nur in Sachen KI. Wenn jeder von einer Blase spricht – dann ist sie meistens (noch) keine. Denken Sie an die Koboldschätze.
27.11.2025, 08:26