Der Leerverkäufer Hindenburg Research scheint ein neues Ziel für seine Leerverkaufsaktivitäten gefunden zu haben. Am Donnerstagabend veröffentlichte der Shortseller einen brisanten Bericht über die Tingo Group. Die Vorwürfe von Hindenburg Research wiegen schwer: Das US-Unternehmen soll im vergangenen Quartal 725 Millionen Dollar Bargeld aus der Bilanz verschwinden lassen haben.
Erst am Mittwoch hatte Tingo, ein globales Fintech- und Agri-Fintech-Unternehmen mit Niederlassungen in Afrika, Südostasien und dem Nahen Osten, seine Q2-Zahlen veröffentlicht und erneut Rekordwerte vermeldet. Demnach stieg der Umsatz im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast unglaubliche 8.072 (!) Prozent auf rund 977 Millionen US-Dollar. Beim operativen Gewinn steht nun ein Plus von 181,7 Millionen US-Dollar zu Buche, nach einem Verlust von 13,8 Millionen US-Dollar im zweiten Quartal 2022. Als Gewinn pro Aktie nach Steuern bleiben für das erste Halbjahr 1,68 US-Dollar (unverwässert) bzw. 0,52 US-Dollar (verwässert) übrig.
Hindenburg Research zweifelt die Bilanzierungsmethoden des Unternehmens seit längerem an und veröffentlichte bereits im Juni einen kritischen Artikel mit dem Titel: "Tingo Group: Fake Farmers, Phones, and Financials - The Nigerian Empire That Isn’t". Zu den nun veröffentlichten Q2-Zahlen schrieb der Leerverkäufer: "Diese gemeldeten Zahlen und Prognosen wären natürlich aufregend, wenn sie auch nur annähernd der Realität entsprächen. Eine sorgfältige Prüfung der jüngsten Veröffentlichungen des Unternehmens zeigt jedoch, dass Tingo nichts anderes getan hat, als weiterhin über jeden wichtigen Aspekt seines Geschäfts zu lügen - und dabei alle von uns aufgeworfenen Fragen unbeantwortet zu lassen".
Zeitgleich mit dem vorangegangenen Artikel hatte Hindenburg Research einen Fragenkatalog an Tingo gesendet, der bis heute nicht vollständig beantwortet wurde. Darin sei unter anderem die Frage enthalten gewesen, welche Banken die von Tingo angegebenen 780 Millionen US-Dollar in bar halten würden. Das Unternehmen habe darauf jedoch nicht geantwortet und stattdessen im Rahmen des Quartalsberichts mitgeteilt, dass seine Barmittel im zweiten Quartal um 725 Millionen Dollar gesunken seien, was größtenteils auf eine angebliche Vorauszahlung von 434 Millionen Dollar zurückzuführen sei.
Die Behauptungen von Hindenburg Research wiegen wieder einmal schwer. Anleger sollten aber bedenken, dass der Leerverkäufer selbst Short auf Tingo ist und damit von fallenden Kursen profitiert. Die Aktie steht derzeit nicht auf der Empfehlungsliste des AKTIONÄR. Ein Einstieg drängt sich derzeit auch nicht auf.