Während die Titanen der Wall Street über komplexe Bilanzen brüten, meldet ein privat geführtes, in El Salvador ansässiges Krypto-Unternehmen einen Gewinn, der selbst gestandene Banker erblassen lässt. Der Stablecoin-Gigant Tether hat in den ersten drei Quartalen des Jahres 2025 einen atemberaubenden Nettogewinn von zehn Milliarden Dollar erzielt – und das, obwohl das Unternehmen noch gar nicht in den USA aktiv ist.
Mit seiner Performance deklassiert Tether bereits Schwergewichte wie die Bank of America, die im gleichen Zeitraum 8,9 Milliarden Dollar verbuchte. Selbst die Investmentbanking-Ikonen Morgan Stanley (12,4 Milliarden Dollar) und Goldman Sachs (12,6 Milliarden Dollar) sind nur noch eine Armlänge entfernt. Bereits im Vorjahr lag Tether mit einem Jahresgewinn von 13 Milliarden Dollar nur rund zehn Prozent hinter Goldman Sachs.
Die Lizenz zum Gelddrucken
Tether verdient sein Geld nicht mit komplexen Derivaten oder riskanten Krediten, sondern mit Zinserträgen auf seine gigantischen Reserven an US-Staatsanleihen. Diese Reserven, die den Wert des an den Dollar gekoppelten Stablecoins USDT stützen, sind auf massive 135 Milliarden Dollar angeschwollen. Damit hält Tether mehr US-Treasuries als Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Südkorea. „USDT ist die größte Erfolgsgeschichte der finanziellen Inklusion in der Geschichte der Menschheit“, twitterte CEO Paolo Ardoino selbstbewusst.
Natürlich sitzt die Krone in der Finanzwelt noch bei anderen. Ein Koloss wie JP Morgan Chase hat mit rund 44 Milliarden Dollar Gewinn im laufenden Jahr noch immer einen komfortablen Vorsprung. Dennoch zeigt die Dynamik, wie sich die Machtverhältnisse verschieben.
Expansion mit Schönheitsfehler
Angetrieben vom Erfolg und einer krypto-freundlicheren Regulierung unter der neuen Trump-Administration wagt Tether nun den Sprung in die Höhle des Löwen. Nach Jahren der gezielten Vermeidung des US-Marktes plant das Unternehmen bis Jahresende die Einführung eines auf amerikanische Vorschriften zugeschnittenen Stablecoins namens USAT. Der zirkulierende Bestand des Flaggschiffs USDT hat unterdessen die Marke von 184 Milliarden Dollar durchbrochen.
Doch bei aller Euphorie bleibt ein fundamentaler Makel. Während die Gewinne mit denen der Wall Street konkurrieren, entzieht sich Tether deren strengsten Disziplinen. Das Unternehmen ist weiterhin nicht börsennotiert und hat sich bis heute keinem Audit durch eine der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften unterzogen. Die Bilanz glänzt im Scheinwerferlicht, doch die Bücher bleiben im Dunkeln.
Die Zahlen sind beeindruckend, die Ambitionen unübersehbar. Tether baut ein Imperium auf dem Fundament von US-Staatsanleihen. Doch solange die Türen zur eigenen Buchhaltung verschlossen bleiben, ist der Stablecoin-Gigant ein Koloss mit einer Achillesferse aus Intransparenz.
03.11.2025, 08:55