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02.12.2020 DER AKTIONÄR

Bernd Förtsch: Hinter der Zeit

Ein großer Wurf sollte es werden, den DAX aus der Irrelevanz herausholen, ihn national wie international stärken. Ein hehrer Wunsch. Ein jähes Ende. Die Deutsche Börse hat mit ihrer Reform des bedeutendsten deutschen, im Ausland aber kaum beachteten Index die Chance verpasst, den Finanzstandort Deutschland attraktiver zu machen. Wir alle wissen: Chancen nutzt man oder man nutzt sie nicht. Man hat Ideen oder ist ideenlos.

Die markanteste Veränderung besteht in der Anzahl der Indexmitglieder: Ab September 2021 wird der DAX auf insgesamt 40 Werte erweitert. Wer rein will, muss ab Dezember 2020 vor Aufnahme ein positives EBITDA in den zwei letzten Finanzberichten aufweisen. Ein qualitatives Kriterium, das wohl Folge des Wirecard-Skandals ist – die Aufnahme des inzwischen insolventen Zahlungsdienstleisters aber nicht verhindert hätte. Immerhin: Delivery Hero wäre, würden die Regeln schon jetzt gelten, heute kein DAX-Mitglied.

Wo einerseits mehr Qualität Einzug halten soll, wird an anderer Stelle weniger Wert auf sie gelegt: Anders als bisher muss ein Unternehmen nicht im Prime Standard gelistet sein. Es reicht eine Notierung im weitaus weniger anspruchsvollen Regulierten Markt. Die Logik dahinter erschließt sich mir nicht. Wiederum mehr Ansprüche werden an den Aufsichtsrat gestellt: Alle Neuzugänge zur DAX-Familie müssen „den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinsichtlich eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat entsprechen“. Mehr Bewegung ermöglichen soll zudem eine Änderung der Regeln hinsichtlich der Handelbarkeit einer Aktie. Entscheidend ist nur noch die Marktkapitalisierung, nicht aber der Börsenumsatz. An seine Stelle soll eine Mindestliquidität rücken.  

Was heißt das alles konkret? Delivery Hero müsste den neuen Regularien zufolge aufgrund des negativen EBITDAs wieder raus aus dem Index. Neu hinzu kämen etwa Symrise, Siemens Healthineers und Qiagen sowie Zalando. Kandidaten wären auch LEG, Hannover Rück, Airbus, Brenntag und Sartorius. Man höre und staune: Auch Porsche könnte in den DAX 40 aufrücken.  

Dieses neue Konstrukt also soll die deutsche Wirtschaft besser abbilden als das alte? Erstens: Kaum, weil die deutsche Wirtschaft insgesamt stark von mittelständischen Familienunternehmen geprägt ist, die eines nicht sind – börsennotiert. Zweitens: Nachdem der DAX bereits in den letzten Jahren sehr stark vergangenheitsorientiert aufgestellt war, bleibt er es auch in Zukunft. So schließen auch die neuen, teils nicht nachvollziehbaren Aufnahmekriterien aufstrebende deutsche Unternehmen von der Teilnahme aus: BioNTech und CureVac im DAX? Unmöglich. Leider, muss man ergänzen. Gerade Firmen wie diese könnten dem DAX einen neuen Twist geben.  

So bleibt nur die Erkenntnis: Ob der DAX nun aus 30 oder 40 Mitgliedern besteht – er versinkt in der Bedeutungslosigkeit. International ohnehin. Aber – das steht zu befürchten – zunehmend auch national. Die junge Generation, die gerade in Deutschland die Börse für sich entdeckt, findet sich im DAX nicht wieder. Ich im Übrigen ebenfalls nicht. Umso besser, dass die Öffnung des Index-Marktes neuen Ideen Raum lässt. Anregungen dazu finden Sie wie immer im AKTIONÄR.

Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 49/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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