Heute Nachmittag wird die EZB über Anpassungen bei der Geldpolitik informieren. Erwartet wird, dass die Zinsen erneut gesenkt werden. Für die Finanzinstitute in der Eurozone hängt davon viel ab, denn die Höhe der Leitzinsen entscheidet mit darüber, wie gut die Geschäftsaussichten sind.
Nachdem die Notenbank in der Eurozone die Leitzinsen seit Sommer 2022 auf 4,5 Prozent erhöht hatte, begann vor einem Jahr die geldpolitische Lockerung. Seit Juni 2024 wurden die Zinsen sieben Mal gesenkt. Wenn heute EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor die Presse tritt, um die Ergebnisse der jüngsten Notenbanksitzung zu verkünden, wird mit einem weiteren Zinsschritt gerechnet.
Der für Banken relevante Einlagesatz dürfte um 25 Basispunkte auf 2,00 Prozent fallen. Die Finanzmärkte haben das bereits eingepreist. Die Inflation in der Eurozone ist im Mai unter das Ziel der Notenbank von zwei Prozent gesunken. Risiken bestehen aber weiterhin durch das Eskalationspotenzial im Zollstreit mit den USA.
Für die Commerzbank sind sinkende Zinsen eine Herausforderung. Die Bank ist sehr zinssensitiv, auch im Vergleich mit anderen Konkurrenten aus Europa. In den internen Prognosen hat man einen Einlagesatz der EZB von durchschnittlich 2,15 Prozent für 2025 unterstellt. Weiter sinken dürfen die Zinsen also nicht mehr. Im Fokus stehen hierbei die Nettozinserträge, also die Differenz zwischen Zinserträgen und Zinsaufwendungen.
Dabei hat der Vorstand für das laufende Jahr 7,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt – nach 8,3 Milliarden im Jahr 2024. Der Analystenkonsens hat derzeit bereits rund acht Milliarden Euro auf dem Zettel. Wie groß die Auswirkungen der EZB-Zinspolitik auf die Erträge der Commerzbank sind, hängt auch vom Einlagen-Beta ab. Diese Kennzahl gibt an, wie stark die Einlagezinssätze eines Geldhauses auf Leitzinsänderungen der EZB reagieren.
Im ersten Quartal lag das Einlagen-Beta der Commerzbank bei 38 Prozent und damit auf Höhe des Jahreswertes von 2024. Im laufenden Jahr soll es auf 41 Prozent steigen. Das bedeutet, dass die Zinsen auf Einlagen der Kunden um 41 Prozent steigen oder fallen, wenn sich die Leitzinsen um 100 Basispunkte ändern. Die Commerzbank verstand es gut, in Zeiten steigender Zinsen hohe Nettozinserträge einzufahren, da die Vergütung auf Kundeneinlagen nicht übermäßig stieg.
Sinkende Zinsen sind für die Commerzbank ein Balanceakt. Unterstützend müssen nun die Provisionserträge wirken, um in den kommenden Jahren die Ertragsziele zu erreichen. Mit einer Bewertung von 12 beim KGV wird die Luft langsam dünn. Es gibt günstigere Alternativen in der Branche, die zudem weniger abhängig von der Zinsentwicklung sind.
Investierte Anleger können über Gewinnmitnahmen nachdenken.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Commerzbank.