Die Reißleine ist gezogen. In Stuttgart endet eine Ära, bevor sie richtig begonnen hat. Die von CEO Ola Källenius 2022 mit großer Geste ausgerufene Strategie „Marge vor Menge“ ist Geschichte. Der Plan, Mercedes-Benz zu einer reinen Luxusmarke zu transformieren, ist an der Marktrealität zerschellt. Nun folgt die strategische Rolle rückwärts.
Während Källenius noch vor zwei Jahren ankündigte, den Anteil von Top-End-Modellen wie der S-Klasse, Maybach oder der G-Klasse am Gesamtabsatz um 60 Prozent zu steigern, liegt der Wert heute nur etwa halb so hoch wie erwartet. Vor allem im Schlüsselmarkt China stockt der Verkauf der teuersten Modelle. Horst Schneider, Autoanalyst bei der Bank of America, bringt es auf den Punkt: „Mercedes hat die Potenziale im Luxussegment damals falsch eingeschätzt.“
Auch bei der Elektromobilität musste die Konzernspitze die eigenen Ambitionen begraben. Das Ziel, bereits im laufenden Jahr einen Anteil von 50 Prozent an Elektroautos und Plug-in-Hybriden zu erreichen, wurde pulverisiert. Die Realität liegt bei ernüchternden 21 Prozent. Der Horizont wird nun verschoben: 30 Prozent sollen es bis 2027 werden.
Offiziell will man von einer Kehrtwende nichts wissen. Källenius selbst betont, den Begriff „Luxusstrategie“ nie verwendet zu haben. Man passe sich lediglich veränderten Rahmenbedingungen an, heißt es aus der Konzernzentrale. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Das Wort „Luxus“ wurde stillschweigend von der Website als eine der Unternehmenssäulen entfernt. Stattdessen wirbt man nun mit dem breitenwirksamen Slogan „Welcome Home“.
Entsprechend pragmatisch fällt die Korrektur aus. Das sichtbarste Zeichen: Die A-Klasse, deren Ende bereits besiegelt schien, wird nicht nur bis 2027 weitergebaut, sondern soll sogar einen Nachfolger auf der neuen MMA-Plattform erhalten. „Mercedes hat die Schraube zu sehr in Richtung Luxus gedreht und will mit der angepassten Strategie eine neue Balance finden“, analysiert Experte Patrick Hummel. Parallel dazu wird der Vertrieb an Autovermieter wie Sixt wieder hochgefahren – ein klassisches Instrument zur Absatzsicherung, das in der Hochpreisphase als Tabu galt.
Pragmatismus ersetzt die große Vision. Für Anleger bedeutet das: Die Aussicht auf Ferrari-ähnliche Margen weicht der Hoffnung auf stabile, aber eben auch weniger spektakuläre Renditen. Der Stern leuchtet wieder für alle – nicht nur für die obersten Zehntausend. Anleger bleiben weiter an Bord.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Mercedes-Benz.
20.11.2025, 08:45