Das ehrgeizige europäische Verteidigungs-Projekt Future Combat Air System (FCAS) steht vor dem Scheitern. Airbus, Dassault und Indra sind zerstritten, der Betriebsratschef von Airbus Defence stellt die Partnerschaft nun sogar infrage. In Europa gebe es attraktivere und geeignetere Partner als Dassault. Es werden bereits alternative Namen genannt.
FCAS sollte einen großen Sprung in der europäischen Verteidigung markieren und spätestens im Jahr 2040 an den Start gehen. Das Gemeinschaftsprojekt sollte die europäischen Luftstreitkräfte und Marinen operativ verbinden, Plattformen wie den Eurofighter und den Rafale-Kampfjet integrieren und dabei KI, Big Data, Kryptografie und Mensch-Maschine-Interaktionen nutzen.
Die Planungen sehen eine schrittweise Einführung des Systems vor, beginnend mit einer verbesserten Lageerkennung Ende dieses Jahrzehnts bis hin zum kombinierten bemannt-unbemannten Teaming Anfang der 2030er Jahre. "Modernisierte Kampfflugzeuge wie der Eurofighter werden mit Wingman der ersten Generation zusammenarbeiten, was bis 2040 zur vollständigen Umsetzung der FCAS-Vision mit dem Next Generation Weapon System führen wird", heißt es auf der Airbus-Seite.
Remote Carrier und Drohnen, die von Flugzeugen wie dem A400M aus gestartet werden, werden bemannte Flugzeuge mit einem hohen Maß an Autonomie unterstützen. Neben den Luftfahrt-Konzernen Airbus und Dassault Aviation ist auch das spanische Rüstungsunternehmen Indra Sistemas in das 100-Milliarden-Euro-Projekt FCAS eingebunden.
Doch seit Jahren ist Sand im FCAS-Getriebe. In den vergangenen Monaten haben sich die Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland, insbesondere zwischen den im Projekt führenden Konzernen Dassault Aviation und Airbus verschärft. Nun steht offenbar das gesamte Projekt auf der Kippe.
Schon im August eskalierte der Streit. Eigentlich sollte Airbus bei FCAS die Richtung vorgeben, Dassault wollte sich damit nicht abfinden. Dassault beanspruchte die Federführung bei FCAS für sich. Dassault soll zudem zuletzt 80 Prozent der Wertschöpfung an dem Flugzeug gefordert haben, dem Hauptelement von FCAS. Der Rafale-Entwickler bestritt das zwar, drohte aber mit einem Austritt aus dem Programm. Die Verträge sehen vor, dass die deutsche und die spanische Industrie gut die Hälfte der Wertschöpfung an dem Mega-Projekt bekommen.
Bundeskanzler schaltet sich ein
Angesichts der Unstimmigkeiten erwägt die deutsche Regierung einem Bericht des Portals Politico zufolge nun alternative Szenarien. Das Verteidigungsministerium in Berlin hat in Gesprächen mit Airbus, dem für den deutschen Teil des Projekts verantwortlichen Unternehmen, mögliche Kooperationen mit Schweden oder Großbritannien ins Spiel gebracht. Auch eine Fortführung des Projekts nur mit Spanien wird als Option gehandelt.
Bundeskanzler Friedrich Merz betonte am vergangenen Donnerstag die Dringlichkeit einer Lösung: "Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig." Bis zum Ende des Jahres wolle man eine Lösung herbeizuführen, "damit dieses Projekt dann auch wirklich realisiert werden kann". Ein trilaterales Treffen der Verteidigungsminister von Deutschland, Frankreich und Spanien ist für Oktober geplant.
Geht es nach dem Betriebsrats-Vorsitzenden von Airbus Defence and Space, Thomas Pretzl, steht die Partnerschaft vor dem Ende. Gegenüber dem Handelsblatt glaubt er, "dass FCAS ohne Dassault kommt". Eine Partnerschaft beruhe auf einem Miteinander, nicht auf einem Gegeneinander. "In Europa gibt es attraktivere und geeignetere Partner", betont Pretzl.
Das französische Verteidigungsministerium hatte am vergangenen Samstag (20.09.25) noch in einer per E-Mail verschickten Erklärung Zuversicht verbreitet. Frankreich, Deutschland, Spanien und die beteiligten Unternehmen seien "voll mobilisiert", um die zweite Phase des Programms vorzubereiten, zu der auch der Bau eines Demonstrators des Kampfflugzeugs bis 2029 gehört, das das Herzstück des Systems bildet.
Aber Airbus schaut sich wohl anderweitig um. Eine Partnerschaft mit der britischen und italienischen Industrie läge auf der Hand, schreibt das Handelsblatt. Airbus, BAE Systems und Leonardo bauen gemeinsam den Eurofighter – ein eingespieltes Team.
In der deutschen Industrie wird noch eine weitere Partner-Variante diskutiert: Saab. Der schwedische Rüstungskonzern baut mit der Gripen einen mit dem Eurofighter vergleichbaren Kampfjet, der auch an Südafrika, Brasilien und Thailand geliefert wurde. die Airbus-Beteiligung MBDA Lenkraketen für die Gripen-Bewaffnung.
Möglicherweise wird Verteidigungsminister Boris Pistorius das Thema bereits beim heutigen Besuch seines schwedischen Kollegen Pål Jonson ansprechen. Nach dem Treffen im Berliner Bendlerblock ist ein gemeinsames Presse-Statement vorgesehen.
Die Airbus-Aktie nimmt den Streit mit Dassault gelassen. Am Dienstag-Vormittag notiert das DAX-Schwergewicht in freundlichem Umfeld im Xetra-Handel 0,3 Prozent über Vortag bei 195,70 Euro. Das in der vergangenen Woche markierte Allzeithoch bei 198,34 Euro bleibt in Reichweite. Die Aktie von Dassault Aviation gibt derweil leicht nach.
Analysten sehen in den kommenden Monaten weiteres Kurspotenzial für Airbus. Goldman Sachs hat den Luft- und Raumfahrt-Konzern erst am Freitag neu in seine Bewertung aufgenommen und das Papier direkt mit einem Kaufvotum versehen. Analyst Sam Burgess nannte ein Kursziel von 230 Euro (DER AKTIONÄR berichtete). Zuvor hatte auch die Schweizer Großbank UBS Airbus auf "Buy" gevotet und ein Kursziel von 220 Euro genannt.
Der Streit im Multi-Milliarden-Verteidigungs-Projekt FCAS ist ärgerlich, bedeutet möglicherweise weitere Verzögerungen beim Aufrüsten Europas. Doch Airbus dürfte im Projekt dabeibleiben – egal ob mit Partner aus Frankreich oder aus Großbritannien oder aus Schweden.
Die Airbus-Aktie bleibt vor dem Hintergrund des Ausbaus von Europas Verteidigung, aber auch als weltweit führender Hersteller von Verkehrsflugzeugen aussichtsreich. DER AKTIONÄR hatte Airbus am 23. April bei 138 Euro zum Kauf empfohlen und zuletzt das Kursziel auf 225 Euro erhöht.
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23.09.2025, 09:55