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10.02.2020 Andreas Deutsch

Thomas Mayer: „Die Lösung heißt Aktien“

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Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Mayer ist Autor zahlreicher Bücher, unter anderem von „Die Ökonomen im Elfenbeinturm“ und „Europas unvollendete Währung“.

DER AKTIONÄR: Herr Mayer, zuletzt gab es im Zollstreit zwischen China und den USA Entspannung. Wie geht es weiter? 

Thomas Mayer: Das ist ganz schwer zu sagen. Donald Trump hat ein Ziel: Er will nicht, dass China Weltwirtschaftsmacht Nummer 1 wird. Der Zollstreit ist nur ein Aspekt von Trumps Kampf gegen China. Es geht darüber hinaus auch um die Technologieführerschaft. Denken Sie nur an 5G und Huawei. Trump will nichts aus der Hand geben. In China sieht er eine große Gefahr für die USA. Die Angst ist berechtigt. 

Manche halten Trump für unberechenbar. Sie auch? 

Manchmal handelt Trump bestimmt im Affekt. Er regt sich über irgendetwas auf und reagiert. Er ist nicht berechenbar, was seinen nächsten Schachzug angeht. Allerdings hat er alle Züge eines Narzissten, was ihn insgesamt doch wieder berechenbar macht. Er findet sich fantastisch, unverzichtbar für Amerika und arbeitet seine Wahlversprechen ab. Über jede Kritik fühlt er sich erhaben. Deswegen steht für mich auch fest, dass er 2020 noch einmal zur Wahl antritt. 

Wie sind denn die Chancen, dass er wiedergewählt wird?

Trump hat es geschafft, dass der Graben zwischen Republikanern und Demokraten sehr groß geworden ist – so groß wie lange nicht mehr. Trotz der negativen Dinge, die Trump macht, steht seine Partei hinter dem Präsidenten. Trump hat wirklich viel angerichtet. Er zerstört die über viele Jahre mühsam aufgebaute Weltordnung. Ihn kümmern weder IWF noch NATO. Es ist ihm egal, von wem ein Staat angeführt wird: Wenn er einen Vorteil für die USA sieht, macht Trump auch mit Diktatoren einen Deal. Sein Motto lautet: America first. Daran hält er sich ganz konsequent. 

Mit dem Spruch hat er die Wahlen gewonnen. 

Richtig. Also bekommen seine Wähler von Trump genau das, was sie offensichtlich wollten. Dass dabei viel kaputtgeht, dürfte ihnen klar gewesen sein.  

Glauben Sie, dass die Amerikaner ihre Wahl nun bereuen und genug von Trumps nationalistischer Politik haben? 

Es gibt ein sehr gutes Argument dagegen: Der amerikanischen Wirtschaft geht es gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, der Konsum brummt. Das hat bislang in der Regel immer dazu geführt, dass ein Präsident wiedergewählt wird. Bill Clinton hat es auf den Punkt gebracht, als er 1992 sagte: „It’s the economy, stupid!“ Damals entwickelte sich die Konjunktur schwach. Präsident George Bush konnte seine Versprechen nicht einhalten. Clinton griff das Thema im Wahlkampf konsequent auf – und gewann die Wahl. 

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der für Trumps Wiederwahl spricht: die Qualität der Gegenkandidaten. Joe Biden ist alt und gehört zum alten Establishment. Die Verstrickung seines Sohnes in der Ukraine-Affäre hat Biden sehr geschadet. Bernie Sanders ist ebenfalls alt und zudem Sozialist. Elizabeth Warren fährt ebenfalls einen für amerikanische Verhältnisse ziemlich linken Kurs. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sich die meisten US-Bürger mit einem dieser Kandidaten als Präsident anfreunden können. 

Thomas Mayer
„Die Leute fragen mich immer, ob Geldanlage im aktuellen Niedrigzinsumfeld viel schwieriger geworden ist. Sie ist viel einfacher geworden!“

Neben Trump macht der Brexit der Börse Sorgen, mittlerweile schon dreieinhalb Jahre. Wie geht es hier weiter?

Sollten die Tories die Wahl gewinnen – und danach sieht es derzeit schwer aus –, wird es einen Brexit mit einem harten Deal geben. [Das Interview wurde vor der Wahl geführt; Anmerkung der Redaktion.] Damit ist das Thema aber noch lange nicht ausgestanden. Die britische Wirtschaft hat schon Federn lassen müssen und wird weiter Federn lassen. Der Brexit wird Europa noch etliche Jahre beschäftigen, da noch das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU verhandelt werden muss. Das kann dauern, wenn man bedenkt, dass die Briten es in dreieinhalb Jahren nicht geschafft haben, die Ausstiegsmodalitäten zu klären.  

Sehen Sie noch weitere Risiken für die Märkte? 

Einige. Die technische Disruption ist ein Risiko, ebenso die Frage, was mit der Automobilbranche passiert. Zudem gibt es viele regionale Konflikte, in Hongkong etwa oder im Nahen Osten. Trump hat das Iran-Abkommen zerstört, die Folgen sind unabsehbar. Erdogan marschiert in Syrien ein, irgendjemand bombardiert saudische Raffinerien, die Iraner kapern Öltanker. Alles ein Grund zur Sorge.  

Dazu kommt das Euro-Problem. In Italien mag es nach außen ruhiger geworden sein, doch die Lage in dem Land ist überaus fragil. Es ist gut möglich, dass die Regierung scheitert, wodurch das Thema Euro-Austritt schnell wieder Fahrt aufnehmen könnte.  

Ein weiteres Risiko sind die hohen Schulden sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern. Das ist fragil – und gefährlich! Wohin hohe Verschuldung führen kann, haben wir ja 2008 in der Finanzkrise gesehen.  

Was würden Sie angesichts der ganzen Brennpunkte den Anlegern empfehlen? 

Sie sollten Aktien kaufen. Die Leute fragen mich immer, ob Geldanlage im aktuellen Niedrigzinsumfeld viel schwieriger geworden ist. Sie ist viel einfacher geworden! Man kann heutzutage nur Aktien kaufen. Schauen Sie sich doch die anderen Assets an: Anleihen sind mit Verlust behaftet. Bei einer 10-jährigen Bundesanleihe mit einer Verzinsung von -0,5 Prozent mache ich nach Ende der Laufzeit ein Minus von fünf Prozent. Die Immobilienpreise sind zwar gestiegen, aber da redet mittlerweile der Staat intensiv mit: Enteignung, Mietpreisbremse und so weiter.  

Aktien haben Rückenwind. Und sie sind im Vergleich mit den anderen Anlageklassen günstig bewertet. Selbst ein KGV von 20 ist nicht hoch, ergibt sich so ja eine Gewinnrendite von beachtlichen fünf Prozent.  

Wann, glauben Sie, werden die Zinsen wieder steigen? 

Im gegenwärtigen Geldsystem, das wir seit der Abkoppelung vom Gold 1971 haben, bestimmt nicht mehr. Die Notenbanken stecken in einem Dilemma. Sie haben dubiose Finanzanlagen aufgesogen und mit Notenbankgeld finanziert. Dadurch haben sie die Finanzkrise beruhigt, gleichzeitig haben sich aber die Bilanzen der Notenbanken extrem aufgebläht. Sollten die Menschen irgendwann das Vertrauen in die Notenbanken und damit in das Geld verlieren, geht das Geldsystem den Bach runter. Wann oder ob das so kommt, kann niemand sagen. Das Risiko ist aber da.

Das von Andreas Deutsch geführte Interview ist zunächst in der Sonderausgabe Edition 1/20 von DER AKTIONÄR erschienen, die Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

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