Schöne Bescherung! Für Anleger der australischen Bekleidungsfirma Naked Brand hatte das Christkind in diesem Jahr offensichtlich einen Stapel Geldscheine unter den Baum gelegt. Die vermeintliche Rendite: mehr als 1.000 Prozent. Die Freude über die Turbo-Gewinne währte aber nur kurz.
"Kenne, was Du kaufst", lautet eine alte Börsenweisheit und sie dient im Wesentlichen der Risikovermeidung. Allerdings scheinen viele Anleger der Naked Group den gut gemeinten Rat nicht zu kennen, oder ihn beim Kauf der Aktien ignoriert zu haben.
Die australische Firma Naked Group ist ein auf Unterwäsche und Bademoden spezialisiertes Bekleidungsunternehmen, dessen selbst erklärtes Ziel nichts Geringeres als die Revolutionierung der gesamten Unterwäsche- und Bademodenbranche ist (oder war, so eindeutig ist das momentan nämlich nicht).
Im Frühjahr entschied sich die Firma jedenfalls, das traditionelle wachstumsschwache Filialgeschäft abzuspalten, um sich ausschließlich auf den Online-Handel konzentrieren zu können.
Allzu viel Potenzial schienen die Verantwortlichen aber auch darin nicht zu sehen, weshalb Vorstand und Aufsichtsrat entschieden, nach einem geeigneten Übernahmekandidaten Ausschau zu halten. Der wurde im November mit Cenntro tatsächlich gefunden. Kann die Revolution nun doch noch starten?
Könnte sie bestimmt, ließe sich eine logische Verbindung zwischen Unterwäsche und Bademoden auf der einen Seite und E-Mobilität auf der anderen herstellen. Cenntro entwickelt und produziert nämlich E-Lieferwagen. Die Firma sieht sich als Pionier bei Künstlicher Intelligenz und dem Autonomen Fahren und sie rechnet mit geradezu explosiven Wachstumsraten.
Schon 2022 sollen die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um den Faktor 20 auf eine halbe Milliarde Dollar steigen, ein weiteres Jahr später sind mehr als 2,1 Milliarden Dollar fest eingeplant. Zumindest was die Ambitionen von Cenntros Management betreffen, scheint man gut zu Naked Brand zu passen.
Ob die Transformation vom Unterwäsche-Verkäufer zum Tesla-Klon funktioniert, steht natürlich völlig in den Sternen, doch offenbar hat die Story neue Investoren angelockt.
Und zumindest kurzfristig sahen die sich in ihrem Enthusiasmus bestätigt, als vor wenigen Tagen ihre Depots Gewinne mit der Aktie jenseits der 1.000-Prozent-Marke auswiesen.
Doch vor allem an der Börse gilt: Wenn etwas zu schön klingt (oder scheint), ist es das in der Regel auch. Bei Naked Group erwies sich der vermeintliche Tenbagger als ordinärer Reverse-Split, bei dem mehrere (alte) Aktien zu einer (neuen) zusammengelegt werden.
NO $NAKD ISNT UP 1500% ITS JUST A REVERSE SPLIT 💀
— Gurgavin (@gurgavin) December 22, 2021
Einige Systeme hatten offenbar Probleme, den Split im Verhältnis von 1:15 darzustellen und deshalb einen Gewinn ausgewiesen, wo keiner existierte. Die Maßnahme war nötig geworden, nachdem die Aktie der Naked Group unter einen Dollar gefallen war und der Rausschmiss von der Börse drohte.
Zum Jahresausklang bietet die Story der Naked Group durchaus Stoff zum Schmunzeln. Allerdings nur für die Leser, nicht für die Anleger. Seit dem Reverse-Split ist die Aktie bereits um weitere 30 Prozent im Wert gesunken, seit dem Hoch Ende Januar 2021 beträgt das Minus 90 Prozent.
28.12.2021, 16:53