Das Netz vergisst nichts. Ob peinliches Foto aus dem letzten Urlaub oder dummer Kommentar auf Social Media – das Gedächtnis des Internets ist unendlich und gnadenlos. Das wissen mittlerweile die meisten. Nur Politiker nicht.
Es ist August. Ende August. Der August des Jahres 2023. Friedrich Merz ist mit der CDU in der Opposition. Die Ampel regiert Deutschland. Die Stimmung im Land ist durchwachsen. Olaf Scholz hat sich im ZDF-Sommerinterview als „Tempomacher“ der Regierung bezeichnet. Robert Habeck ist unglücklich mit seinen verheerenden Umfragewerten und begibt sich auf eine Reise durch das Land. Das ungeliebte „Heizungsgesetz“ spaltet Nation und Parteienlandschaft.
In dieser Situation tritt die BILD am Sonntag auf den Plan. Sie gibt dem Oppositionsführer die Gelegenheit, sich in einem großen Interview als bessere Alternative zur vor sich hinwurschtelnden Regierung zu präsentieren. Und sie fragt ihn: „Dann sagen Sie uns doch mal ganz konkret: Welche drei Dinge würde die CDU an der Regierung als Erstes anders machen?“ Seine Antwort:
„1. Wir würden die Steuer- und Abgabenbelastung auf Energie senken, also die Stromsteuer, die Netzentgelte und alle weiteren staatlichen Abgaben.
2. Wir würden sofort die stillgelegten Kernkraftwerke wieder ans Netz nehmen.
3. Wir würden ein Bürokratiemoratorium beschließen.“
Urteilen Sie selbst. Wie viele Steuern und Abgaben auf Energie wurden seit dem Beginn der aktuellen schwarz-roten Koalition gesenkt? Wie viele Kernkraftwerke liefern schon wieder Strom? Ist das Wachstum des Bürokratiemonsters zum Erliegen gekommen?
Dieses kleine Fundstück im Netz offenbart mehrere Dinge.
Erstens: Das Netz vergisst nichts.
Zweitens: Von der Oppositionsbank aus nimmt man den Mund gern ein wenig zu voll. Es gibt Parteien und Politiker in diesem Land (gar nicht so wenige), deren Entzauberung begann exakt in dem Moment, in dem sie auf einmal gestalten durften.
Dann mussten. Dann nicht konnten. Wenn ich entweder die Gewissheit habe, ohnehin den Beweis meiner Thesen nicht antreten zu müssen, oder mich auf die Vergesslichkeit der Wähler verlasse, dann kann ich ganz entspannt die einfachen, durchaus in der Sache richtigen Lösungen präsentieren und fordern. Ich muss ja nicht liefern. Denke ich.
Drittens: Entweder Kanzler Merz hat einfach den Mund zu voll genommen (siehe zweitens). Oder er hat mittlerweile vergessen, was er damals gesagt hat. Oder will es nicht mehr wissen. Oder er weiß es noch, würde es auch gern umsetzen, aber kann nicht. Weil es dann doch nicht so einfach ist? Weil der Koalitionspartner bremst? Weil es in der eigenen Partei Andersdenkende gibt, die man nicht übergehen kann? Weil einfach so viel zu tun ist, dass man sich nicht um jede Kleinigkeit kümmern kann?
Am Ende des Tages steht die traurige Erkenntnis: Selbst wenn Politiker heute den Mut haben, ökonomisch sinnvolle Forderungen zu stellen – man kann sie ihnen einfach nicht glauben. Vor allem, wenn sie gerade in der Opposition sind. Ob Wirtschaft, Energie, Bürokratie, Infrastruktur, Verteidigung, Steuersystem, Rentensystem oder Gesundheitssystem: Die Liste der Baustellen in unserem Land ist lang und die Probleme sind gewaltig. Mutiges, sinnvolles Handeln wäre dringend nötig. Stattdessen gibt es eine wieder einmal streitende Regierung und eine Beschäftigung mit Klein-Klein oder sinnfreien Spiegelfechtereien. Liebe Politiker: Sprechen Sie bitte nicht mehr von „wollen“, „planen“ oder „würden“ – sondern handeln Sie!
06.11.2025, 08:36