Die Glocke an der Frankfurter Börse läutet am Montag nicht nur eine neue Handelswoche, sondern auch den Handelsstart für Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) ein. Der Börsengang könnte gleichzeitig ein neues Kapitel für den deutschen Rüstungssektor aufschlagen. Mit U-Booten, Fregatten und hochpräzisen Marinesystemen positioniert sich die Thyssenkrupp-Tochter als maritimes Gegenstück zu Giganten wie Rheinmetall.
Hinter dem Kürzel TKMS verbirgt sich Deutschlands Marine-Schwergewicht: 9.100 Mitarbeiter, Werften in Kiel und Wismar, globale Präsenz. Hier entstehen nicht nur U-Boote, die mit Brennstoffzellen wochenlang getaucht operieren, sondern komplette Systeme – vom Design über Bau bis zur Lebenszyklus-Wartung. TKMS gilt als Weltmarktführer im Bereich konventioneller U-Boote und ist Lieferant für Norwegen, Singapur, Ägypten und die Deutsche Marine.
Doch auch Rheinmetall hat die Meere für sich entdeckt: Mit der Übernahme der Militärsparte der Bremer Lürssen-Gruppe stieg der Düsseldorfer Rüstungskonzern ebenfalls kürzlich in den Marineschiffbau ein. Allerdings baut Rheinmetall keine U-Boote, sondern Marine- und Behördenschiffe, darunter Küstenwachboote und Korvetten.
Der Zeitpunkt des Börsengangs scheint perfekt: Geopolitische Spannungen treiben Verteidigungsausgaben in die Höhe. Doch ein entscheidender Unterschied zu Landstreitkräften macht TKMS zum Langstreckenläufer: Schiffe bauen dauert Jahre, nicht Monate. ThyssenKrupp-Konzernchef Miguel López ist jedoch optimistisch: „Mit der Börsennotierung schlagen wir ein neues Kapitel auf.“
Spin-off-Strategie: Kontrolle behalten, Wachstum entfesseln
Im Gegensatz zu einem klassischen IPO fließt beim vorgenommen Spin-off kein Geld direkt in TKMS-Kassen. Dafür gewinnt das Unternehmen Unabhängigkeit: Künftig kann es den Kapitalmarkt anzapfen, um Milliarden in Forschung, Entwicklung und Werftausbauten zu pumpen.
Thyssenkrupp hält 51 Prozent – genug um die Kontrolle zu Behalten. Die restlichen 49 Prozent der 63,5 Millionen TKMS-Aktien wurden automatisch an bestehende Thyssenkrupp-Aktionäre verteilt. Wer am vergangenen Freitag 20 Thyssenkrupp-Aktien hielt, bekommt ein TKMS-Papier gratis dazu. Ab dem heutigen Montag sind die TKMS-Aktien frei handelbar.
Thyssenkrupp-Chef López zielt durch den Spin-off auf eine höhere Gesamtbewertung ab: „Die Summe der Teile soll mehr wert sein als das Ganze.“ Für Aktionäre ein potenzieller Boost, für den Konzern eine Währung für Akquisitionen in einem konsolidierenden europäischen Marinesektor.
Starke Auftragslage
Finanziell steht das Unternehmen gut da. In den ersten neun Monaten stieg der Nettogewinn auf 75,2 Millionen Euro, nach 62 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Das Auftragsbuch umfasst derzeit ein Volumen von 18,6 Milliarden Euro und sichert damit die Auslastung bis in die 2040er-Jahre.
Im ersten Halbjahr explodierte der Auftragseingang förmlich – von 669 Millionen Euro im Vorjahr auf 5,6 Milliarden Euro. Hauptgrund ist die laufende Flottenmodernisierung der Bundeswehr, deren Gesamtvolumen über zehn Milliarden Euro beträgt. Dazu zählen unter anderem vier U-Boote der Klasse 212CD.
Goldene Aktie statt Beteiligung für den Staat
Kein Rüstungs-IPO in Deutschland ohne Zustimmung aus Berlin. Anders als beim Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt, an dem der Bund 25,1 Prozent hält, verzichtet der Staat bei TKMS auf eine direkte Beteiligung. Stattdessen greift er zum Instrument der sogenannten „goldenen Aktie“. Sie sichert dem Bund weitreichende Kontrollrechte: Verkäufe von mehr als 25 Prozent der Anteile müssen genehmigt werden, ab fünf Prozent greift ein Vorkaufsrecht – dazu kommt ein fester Sitz im Aufsichtsrat.
Während der Mutterkonzern Thyssenkrupp bereits seit Monaten von der angekündigten Abspaltung profitiert, wird sich erst heute zeigen, wie viele Anleger TKMS als eigenständiges Unternehmen tatsächlich überzeugt. DER AKTIONÄR wird die Entwicklung genau beobachten.
20.10.2025, 07:22