Rekord auf Rekord an der Wall Street – doch nicht alle sehen die Rally ungebrochen weiterlaufen. Mike Wilson, Chefstratege von Morgan Stanley, warnt vor einer gefährlichen Gemengelage: Ausgerechnet wenn die US-Notenbank den „richtigen“ ökonomischen Schritt macht, könnte das an den Märkten einen Rückschlag auslösen.
Der S&P 500 liegt seit dem Tief im April mehr als 30 Prozent im Plus, allein in diesem Jahr summiert sich das Plus auf über 13 Prozent. Getrieben wird die Hausse von KI-Fantasie und der Hoffnung auf weitere Zinssenkungen. Die Futures preisen für 2025 noch 50 Basispunkte an zusätzlichen Senkungen ein. Im kommenden Jahr soll der Leitzins sogar auf drei Prozent sinken.
Doch Wilson sieht laut MarketWatch die US-Konjunktur längst in einem neuen Aufschwung: „Die rollende Rezession endete mit dem Liberation Day. Wir befinden uns nun in einer frühen Erholungsphase, in der das Gewinnwachstum stärker ausfallen dürfte als erwartet.“ Anzeichen dafür seien breitere Gewinnrevisionen sowie eine Verbesserung von Frühindikatoren wie dem ISM-Index.
Wenn die Fed also erkennt, dass die Wirtschaft weniger Lockerung braucht, könnten die Märkte enttäuscht reagieren. Denn: Die Bewertungen implizieren bereits weitere Zinssenkungen. „Das Spannungsfeld zwischen der Reaktionsfunktion der Fed und dem ‚Need for Speed‘ des Marktes ist das kurzfristige Risiko für Aktien“, so Wilson.
Hinzu kommt ein mögliches Liquiditätsproblem: Quantitative Tightening, hohe US-Staatsanleiheemissionen und ein schwacher Unternehmensanleihemarkt könnten den Geldfluss verknappen. Warnsignale wären steigende Spreads zwischen Fed Funds und dem SOFR-Satz sowie ein Anziehen des MOVE-Index für Anleihevolatilität.
Bekannter Bär
Anleger sollten berücksichtigen: Wilson gilt seit Jahren als einer der eher skeptischen Stimmen an der Wall Street. Seine bärischen Prognosen – etwa wiederholte Warnungen vor größeren Rücksetzern während der jüngsten Rallys – haben sich nicht immer erfüllt.
Sollten die Märkte ihre Erwartung an aggressive Zinssenkungen nicht erfüllt sehen, droht eine scharfe Korrektur. Die dürfte dann vor allem hoch bewertete Techs und Small Caps treffen. Allerdings tut die US-Regierung unter Donald Trump bekanntlich einiges, um die Unabhängigkeit der US-Notenbank zu untergraben und Zinssenkungen zu forcieren. Insofern wirkt das Risiko derzeit überschaubar.
22.09.2025, 20:18