Dem deutschen Biotech-Unternehmen sind in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte im Kampf gegen Alzheimer gelungen. Nun geht das Top-Projekt in die entscheidende Phase.
Es ist eine heimtückische Krankheit: Demenzerkrankungen, von denen Alzheimer die häufigste ist, betreffen weltweit mehr als 50 Millionen Menschen. Bis 2050 soll sich die Zahl der Alzheimerpatienten auf über 150 Millionen etwa verdreifachen. Im Verlauf der Alzheimerkrankheit werden die Nervenzellen des Gehirns unwiderruflich zerstört. Umso wichtiger wäre eine effektive Behandlungsoption der Gedächtniserkrankung. Doch der entscheidende Durchbruch ist noch immer nicht gelungen. Im Sommer vergangenen Jahres hat zwar Aducanumab aus dem Hause Biogen in den USA die Zulassung erhalten, in der EU wurde eine Genehmigung jedoch abgelehnt. Ein deutsches Biotech-Unternehmen verfolgt im Kampf gegen Alzheimer hingegen einen hochinteressanten Ansatz im bereits fortgeschrittenen Stadium.

Für Varoglutamstat zur Behandlung der frühen Alzheimerkrankheit hat Vivoryon vor Kurzem von der US-Zulassungsbehörde FDA den Fast-Track-Status verliehen bekommen.

Dreifach stark
Ulrich Dauer, Vorstandsvorsitzender von Vivoryon, erklärte gegenüber dem AKTIONÄR den besonderen Ansatz des Projekts: „Die Alzheimerkrankheit ist durch drei wesentliche pathologische Merkmale gekennzeichnet. Das wohl bekannteste Merkmal sind die sogenannten Abeta Plaques. Dies sind charakteristische Ablagerungen von Proteinen im Gehirn der Patientinnen und Patienten. Ein zweites Merkmal ist ein entzündlicher Prozess der Gehirnzellen oder Neuronen, die sogenannte Neuro-Inflammation. Und als drittes Kennzeichen gilt die Bildung von Proteinablagerungen innerhalb der Neuronen, die sogenannten Tau-Proteine. Unser Forschungsteam bei Vivoryon hat ein Enzympaar identifiziert und charakterisiert, das in Gehirnen von Alzheimerpatientinnen und -patienten in deutlich höheren Mengen vorkommt als bei gesunden Menschen, die Glutaminylzyklase oder kurz QPCT und eine weitere Variante, die iso-Glutaminylzyklase oder QPCTL. Mit unserem in der klinischen Entwicklung befindlichen Wirkstoffkandidaten Varoglutamstat blockieren wir die Aktivität dieser beiden Enzyme, was alle drei dieser genannten pathologischen Merkmale positiv beeinflussen kann und damit die kognitiven Beeinträchtigungen der Patientinnen und Patienten verringern soll.“
Derzeit befindet sich Varoglutamstat in der Phase 2b der klinischen Entwicklung. In den kommenden Monaten wird es spannend. Mitte 2022 erwartet Firmenlenker Dauer die Zwischenergebnisse der europäischen Studie VIVIAD. Im Jahr 2023 sollen weitere wichtige Daten folgen.

Spannende Pipeline
Vivoryon hat aber noch weitere hochinteressante Projekte in der Pipeline, wenn auch in sehr frühen Phasen. „Besonders spannend ist das weitere Potenzial unseres Ansatzes auch bei anderen Erkrankungen mit einem hohen medizinischen Bedarf, wie beispielsweise bei bestimmten Krebserkrankungen. Im Bereich der Onkologie modulieren wir auf diese Art einen wichtigen Tumor-Checkpoint, was dazu führt, dass das körpereigene Immunsystem Tumorzellen erkennen und bekämpfen kann. Insbesondere in der Kombination mit therapeutischen Anti-Tumor-Antikörpern ist diese therapeutische Strategie besonders vielversprechend. Deshalb streben wir für dieses Projekt eine Partnerschaft mit Unternehmen an, deren therapeutische Antikörper von der Kombination mit unseren QPCTL-Inhibitoren profitieren können“, so Dauer.
