Xiaomi gelang am gestrigen Dienstag ein Meilenstein. Die Elektroauto-Sparte des Unternehmens erreichte die Gewinnzone – und das in weniger als der Hälfte der Zeit, die einst Branchenprimus Tesla dafür benötigte. Ein Lehrstück in Sachen Effizienz. Doch über diesem Erfolg ziehen bereits dunkle Wolken auf.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Nur 19 Monate nach der Markteinführung seiner Elektro-Limousine SU7 meldete Xiaomi für das dritte Quartal einen Gewinn von 700 Millionen Yuan (rund 98 Millionen Dollar) in seiner Sparte für E-Autos und Künstliche Intelligenz.
Der Vergleich zeigt die Dimension des Erfolgs. Tesla brauchte nach der Auslieferung des ersten Roadsters 2008 mehr als fünf Jahre, um 2013 erstmals einen Quartalsgewinn auszuweisen. Selbst der chinesische Wettbewerber Li Auto benötigte rund zwei Jahre für diesen Meilenstein. Andere Rivalen wie XPeng oder Nio schreiben weiterhin tiefrote Zahlen und peilen die Gewinnschwelle erst für Ende 2025 an – acht Jahre nach ihrem Debüt.
Das Erfolgsrezept
Der Grund für diesen Blitzstart liegt in Xiaomis strategischer Ausgangslage. „Xiaomi betrat den Markt mit strukturellen Vorteilen, die die meisten reinen E-Auto-Start-ups nicht hatten“, analysiert Bill Russo, Gründer der Shanghaier Beratungsfirma Automobility. „Sie nutzten eine enorme bestehende Kundenbasis, eine starke Marke mit hohem Vertrauen und eine voll integrierte Ökosystem-Strategie.“ Das Ergebnis: extrem niedrige Kosten für die Kundengewinnung.
Mit diesem schnellen Erfolg gelingt Konzernchef Lei Jun, woran Apple nach einem Jahrzehnt und Investitionen von 10 Milliarden Dollar scheiterte. Xiaomis Vorgehen war dabei von einer fast schon rücksichtslosen Effizienz geprägt. Statt wie viele Konkurrenten Milliarden in die Entwicklung mehrerer Modellreihen zu verbrennen, konzentrierte man sich auf ein einziges Modell, eine straff geführte Lieferkette und eine softwarezentrierte Architektur. Der Launch des SU7 glich eher der Markteinführung eines Consumer-Electronics-Produkts als eines Autos – konzipiert für schnelles Erreichen des Break-even.
Der Erfolg scheint sich zu wiederholen. Das im Juni vorgestellte zweite Modell, der SUV YU7, sammelte innerhalb weniger Stunden über 289.000 Bestellungen ein. Auch die hochentwickelte chinesische Lieferkette für E-Autos spielte Xiaomi in die Karten. Anders als frühe Pioniere musste der Konzern nicht die gesamte Infrastruktur selbst aufbauen.
Gegenwind am Horizont
Doch der Ausblick trübt sich ein. Die chinesische Regierung fährt die Steuererleichterungen für Elektroautos und Hybride im kommenden Jahr zurück. Zudem ist unklar, ob eine wichtige Abwrackprämie verlängert wird. Die Nachfrage könnte empfindlich getroffen werden bereits im Oktober sanken die Autoverkäufe im Jahresvergleich.
Entsprechend nervös reagiert der Markt. Xiaomi bietet bereits jetzt Rabatte von bis zu 15.000 Yuan, um den Wegfall der Subventionen für Kunden zu kompensieren, die noch im November bestellen. Diese Rabatte werden die Margen belasten. Konzernpräsident Lu Weibing warnte bei der Vorstellung der Quartalszahlen bereits vor einer schrumpfenden Bruttomarge im Jahr 2026.
Die Analysten Joanna Chen und Jason Zhao von Bloomberg Intelligence sehen darin ein Signal für einen härteren Wettbewerb bei gleichzeitig nachlassendem Nachfragewachstum. Für viele Hersteller wird der Export zum entscheidenden Faktor für Wachstum. Doch hier hinkt Xiaomi hinterher. Während Konkurrenten wie BYD, Geely und XPeng den Export forcieren, plant Xiaomi den Schritt nach Übersee erst für 2027.
Xiaomis Start in die Elektromobilität ist eine Meisterleistung. Ob diese Strategie jedoch auch im globalen Gegenwind und ohne staatliche Subventionen tragfähig ist, muss sich erst noch zeigen. Durch den jüngsten Kursrutsch wurde nun auch der Stoppkurs des AKTIONÄR von 4,40 Euro unterschritten.
19.11.2025, 09:40