Die FJH AG, ein Anbieter von Spezialsoftware für Versicherungsgesellschaften, befindet sich in einer Phase der tiefgreifenden Neuorganisation. der aktionär hat den neuen Vorstandsvorsitzenden Ulrich Korff (Bild) zum Stand der Restrukturierung und den Aussichten für einen erfolgreichen Turnaround befragt.
Die FJH AG, ein Anbieter von Spezialsoftware für Versicherungsgesellschaften, befindet sich in einer Phase der tiefgreifenden Neuorganisation. der aktionär hat den neuen Vorstandsvorsitzenden Ulrich Korff zum Stand der Restrukturierung und den Aussichten für einen erfolgreichen Turnaround befragt.
DER AKTIONÄR: Wie beziehungsweise wo haben Sie das Business-Modell im Vergleich zu Ihren Vorgängern umgestellt?
Ulrich Korff: Wir haben in den letzen zwei Monaten eine umfangreiche Bestandsaufnahme durchgeführt und die strategische Neuausrichtung des Unternehmens angestoßen. Dabei sehen wir zwei Schwerpunkte: zum einen werden wir uns bei der Softwareentwicklung künftig auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren und die Fertigungstiefe reduzieren. Das heißt, am Markt gut eingeführte Produkte wie die Life Factory ® werden weiterentwickelt und kontinuierlich an die Anforderungen der Branche angepasst.
Andere Bereiche, in denen wir nicht so stark sind - etwa Vertriebssoftware -, werden wir künftig über Kooperationen mit Herstellern, die auf diesen Gebieten stark sind, abdecken und diese über Schnittestellen an unsere Lösungen anbinden. Gleichzeitig werden wir den Bereich Beratung noch weiter ausbauen und der Branche unser Know-how auch über Schulungsangebote zur Verfügung stellen.
Wie sehen Sie Ihre Position im Markt im Vergleich zu den Konkurrenten, insbesondere zu SAP?
Wir verfolgen einen ganz anderen Ansatz als SAP. Während SAP sehr breit aufgestellt ist und Lösungen für die verschiedensten Branchen anbietet, haben wir uns ganz klar auf die Versicherungsbranche spezialisiert und verfügen hier über sehr tiefgehendes Fachwissen. So ist die Life Factory ® ein Produkt, das in der Branche einmalig ist und alle wesentlichen Geschäftsprozesse abdeckt, die bei einer Lebensversicherung anfallen.
Womit begründen Sie Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Was uns von unseren Mitbewerbern grundlegend unterscheidet, ist die Kombination aus IT-Know-how und Versicherungsfachwissen - das bietet in dem Umfang und in der Tiefe keiner unserer Wettbewerber.
Wo liegen die besonderen Risiken in Ihrem Geschäftsmodell?
Durch die Spezialisierung auf eine Branche sind wir in einem gewissen Maß auch immer von der Entwicklung der Branche abhängig. Beispielsweise haben sich die deutschen Versicherer im letzten Jahr mit Investitionen sehr zurückgehalten, da aufgrund der politischen Diskussion über die Altersvorsorge und das Gesundheitssystem nicht abzusehen war, wohin die Reise geht. Solche Entwicklungen treffen uns dann schon.
Um die Abhängigkeit von einem einzelnen Markt zu reduzieren, haben wir unser Auslandsgeschäft gestärkt und werden beispielsweise unser Geschäft in Russland, einem der aufstrebenden Märkte in diesem Bereich, noch weiter ausbauen.
Haben Ihre Kunden wieder Vertrauen zu Ihrem Unternehmen gewonnen und wenn ja, worauf basiert dies?
Unsere Kunden sind uns auch in den schwierigen Zeiten, die hinter uns liegen, treu geblieben, wir haben nicht einen einzigen Kunden verloren. Nachdem die Finanzierung von FJH nun gesichert ist, suchen wir jetzt sehr aktiv den Dialog mit bestehenden und potenziellen neuen Kunden. So haben wir gerade eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, in denen wir der Branche unsere neue Strategie vorgestellt haben. Das Interesse ist groß und die Resonanz sehr positiv.
Wie rentabel und ertragsbringend sind die Auslandsaktivitäten Ihrer Gesellschaft?
Die Auslandsmärkte, in denen wir derzeit aktiv sind, entwickeln sich unterschiedlich. Österreich und die Schweiz liegen aktuell etwas zurück, doch steuern wir hier mit verstärkten Vertriebsaktivitäten gegen. Positiv ist die Entwicklung in den USA und vor allem in Russland. Hier konnten wir in diesem Jahr einen weiteren Auftrag für die Life Factory ® gewinnen. Damit ist das System nach unserem Markteintritt im letzten Jahr schon bei drei führenden Versicherern im Einsatz. Insgesamt haben wir im Sinne einer Risikodiversifizierung den Auslandsanteil am Umsatz im ersten Halbjahr 2005 schon deutlich gesteigert, er liegt bei rund 25 Prozent im Vergleich zu 17 Prozent im Vorjahr.
Wo liegen die Wachstumsschwerpunkte in der Zukunft - in Deutschland oder im Ausland?
Wir sehen zwei Schwerpunkte: zum einen in unserem Kernmarkt Deutschland, Österreich, Schweiz. Hier wollen wir über Produktinnovationen und Kooperationen weiter wachsen. Zum anderen aber auch in den USA und Russland, wo wir sehr große Wachstumspotenziale sehen. In den USA haben wir mit der Product Machine, einer an die spezifischen Bedürfnisse des Marktes angepassten Version der Life Factory ® Kernsysteme, ein attraktives Produkt mit großem Potenzial. Kürzlich konnte mit dem Katastrophenversicherer ICAT ein neuer Kunde für diese Lösung gewonnen werden.
Große Wachstumschancen bietet auch Osteuropa und hier vor allem der russische Markt. FJH hat gerade in Russland durch den frühen Markteintritt und wichtige Referenzkunden wie die Allianz Rosno Life eine sehr gute Marktstellung, die wir noch weiter ausbauen werden. Als einen wichtigen Schritt auf diesem Weg haben wir kürzlich eine Kooperation mit einem lokalen IT-Dienstleister in St. Petersburg geschlossen, über den wir ein Entwicklungsteam vor Ort aufbauen werden. So können wir von den geringeren Personalkosten in Russland profitieren und unsere Margen verbessern.
Welche Wachstumschancen sehen Sie im osteuropäischen Raum und wo wollen Sie in diesem Segment in fünf Jahren stehen?
Wir sehen in Osteuropa erhebliche Potenziale, da sich hier die private Altersvorsorge gerade erst im Aufbau befindet und umfangreiche Investitionen in die entsprechenden IT-Lösungen und großer Beratungsbedarf bei der Entwicklung neuer Produkte zu erwarten sind. Langfristig wollen wir den Umsatzanteil Osteuropas auf rund 15 Prozent unseres gesamten Geschäfts steigern.
Ihr Halbjahresabschluss hat vom Verkauf von Unternehmensteilen profitiert. Wollen Sie noch weiteres "Tafelsilber" veräußern?
Wir haben uns im Rahmen unserer strategischen Neuausrichtung von der Heubeck AG und unserer Beteiligung an Insiders Technologies getrennt und so auch zusätzliche Liquidität gewonnen. Weitere Verkäufe sind nicht geplant, im Gegenteil. So soll beispielsweise unser Tochterunternehmen FJA Akademie GmbH künftig an Bedeutung in der Gruppe gewinnen und Schulungen und Konferenzen für die Versicherungsbranche anbieten.
Wann schlagen sich die angekündigten Einsparungen nieder?
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sind im ersten Halbjahr 2005 bereits gesunken und auch der Personalaufwand konnte mit 23,9 Millionen Euro statt 35 Millionen deutlich reduziert werden. In beiden Bereichen werden wir im Laufe des Jahres noch weitere Einsparungen erzielen. Die wichtigsten Schritte wurden bereits eingeleitet. Bis Anfang 2006 wird die Zahl der Mitarbeiter auf 420 reduziert, aufgrund der Kündigungsfristen ist das nicht schneller zu erreichen.
Bei den Büroflächen haben wir an unserem Hauptsitz in München bereits ein Gebäude komplett aufgegeben und alle Mitarbeiter an einem Standort zusammengeführt. Für unsere Kölner Niederlassung wurde der Mietvertrag ebenfalls gekündigt, günstigere und kleinere Flächen werden in Kürze angemietet. Die Hamburger Niederlassung ist schon umgezogen, Berlin wurde komplett geschlossen. Insgesamt rechnen wir allein bei den Raumkosten für 2005 mit Einsparungen von rund 3,3 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Wie ist der aktuelle Stand Ihrer Restrukturierungs-Maßnahmen? Mit welchen finanziellen Belastungen rechnen Sie noch für das laufende Jahr?
Die Restrukturierung schreitet planmäßig voran. Die strategische Neuausrichtung ist auf den Weg gebracht, die internen Strukturen sind bereits entsprechend angepasst worden. Auf der Kostenseite laufen die leider unvermeidlichen Personalmaßnahmen, die bis Jahresende abgeschlossen sein sollen, und auch die Einsparungen bei den Sachkosten sind auf den Weg gebracht worden. Für alle diese Maßnahmen haben wir die notwendigen Rückstellungen gebildet. Insgesamt rechnen wir hier mit Kosten für die Umzüge und die Personalmaßnahmen in Höhe von rund 3,5 bis 4,0 Millionen Euro.
Welche Faktoren sprechen dafür, dass Sie in 2006 den Turnaround schaffen werden?
Wie bereits erläutert, haben wir unsere Kosten deutlich reduziert - nicht zuletzt auch den Personalaufwand. Damit sind wir nun deutlich flexibler und können schneller auf veränderte Marktanforderungen reagieren. Zugleich haben wir unseren Vertrieb gestärkt und ein ganzes Bündel von Aktivitäten gestartet, so dass auch die Umsätze mittelfristig wieder anziehen sollten. Damit haben wir gute Voraussetzungen für einen Turnaround geschaffen.
In welcher Bandbreite sollen sich Umsatz und Ertrag im kommenden Jahr bewegen?
Beim Umsatz wollen wir zwischen 54 und 58 Millionen Euro erzielen, die EBIT-Rendite sollte sich im oberen einstelligen Bereich bewegen.
Herr Korff, Sie haben vor kurzem ein größeres Aktienpaket von FJH verkauft. Glauben Sie selbst nicht mehr an den Erfolg Ihrer Sanierungsbemühungen?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den Turnaround schaffen werden und habe großes Vertrauen in FJH. Sonst wäre ich im Juni sicher nicht als CEO angetreten. Ich habe mir die Potenziale des Unternehmens sehr genau angeschaut und bin von der Zukunft von FJH überzeugt. Wir haben eine gute Marktposition, einen treuen Kundenstamm, exzellente Mitarbeiter und viele hervorragende Produkte. Die Schwachstellen - zu hohe Kosten, Defizite im Vertrieb - beheben wir gerade, so dass wir mittelfristig sehr gut aufgestellt sein werden und diesen Prozess werde ich als CEO auch weiter vorantreiben.
Was die von Ihnen angesprochene Transaktion betrifft, so geht es mir hier um eine klare Trennung von Amt und Aktienbesitz, um das Thema Insiderhandel von vornherein auszuschließen.
Vielen Dank für das Interview!
Fazit: Grundstein gelegt
FJH hat die Voraussetzungen für das Erreichen der Gewinnzone im Geschäftsjahr 2006 geschaffen. Durch mehrere Kapitalmaßnahmen sowie Darlehensverzichte wurden zudem die Risiken drastisch reduziert. Gelingt es dem Team um Ulrich Korff den operativen Aufwärtstrend in den kommenden Quartalen zu bestätigen, dürfte auch das Vertrauen der Anleger nachhaltig zurückkehren.
FJH
|
|
---|---|
ISIN | DE0005130108 |
Kurs am 21.09.2005 | 4,30€ |
Empfehlungskurs | 3,90€ |
Ziel | 5,40€ |
Stopp | 3,00€ |
KGV 06e | 26 |
Chance/Risiko | 4/4 |
Artikel aus DER AKTIONÄR (39/05).