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Bierzeltparolen und Kuhhandel

Bierzeltparolen und Kuhhandel
Bernd Förtsch 28.08.2025, 08:11 Bernd Förtsch

Die internationale Presse feiert unseren Kanzler und seine Aussagen zur Reformbedürftigkeit des Sozialstaats. Ich befürchte, am Ende waren sie nur eines: viel Lärm um nichts. Ein paar Gedanken zu aktuellen Aussagen der CDU und ihres Kanzlers.

Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ So Bundeskanzler Friedrich Merz neulich auf dem CDU-Landesparteitag in Niedersachsen. Wumms! „Viele Bezieher könnten arbeiten, tun es aber nicht. Was ist eigentlich mit diesem System los?“

Nicht die Erkenntnis ist es, die einen verwundert. Vielmehr die Tatsache, dass ein deutscher Politiker wagt, sie so klar auszusprechen. Offenbar mittlerweile die gewaltige Ausnahme. So gewaltig, dass sogar das Wall Street Journal von diesem Moment der Klarheit Notiz nahm. Unter der Überschrift „Ein Politiker spricht das Unaussprechliche aus“ teaserte die Redaktion süffisant: „Nein, wir meinen damit keine rassistischen oder sexistischen Äußerungen. Diese Hindernisse in der Politik wurden schon vor langer Zeit überwunden. Wir beziehen uns auf etwas, das in modernen westlichen Demokratien weitaus tabuisierter ist: zuzugeben, dass der moderne Sozialstaat in seiner heutigen Form nicht mehr finanzierbar ist.“ So weit ist es gekommen, dass das dem WSJ eine Schlagzeile wert ist.

Und es geht weiter. Bayern-Regent Markus Söder und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wollen, so in den Medien zu lesen, „dass Faulenzer so gut wie keine Stütze mehr beziehen“. CDU/CSU-Fraktionsvize Mathias Middelberg bescheinigt vor allem Syrern und Afghanen ein „erhebliches Aufholpotenzial hinsichtlich der Aufnahme einer Beschäftigung“. Wow! Was ist los? Hat die Politik – Korrektur: Hat zumindest die CDU – erkannt, dass die Zustände rund um den Sozialstaat so nicht mehr tragbar sind? Dass die Exzesse bei Bürgergeld und Co der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr vermittelbar sind? Ich befürchte: Nein, hat sie nicht! Klingt für mich wie purster Populismus.

Das Wall Street Journal beschäftigt sich mit dem Landesparteitag der CDU in Niedersachsen. Hier lohnt ein zweiter Blick.

Ich befürchte, dass die sehr martialisch klingenden Ankündigungen aus der Union außer billigem Stimmenfang bei AfD-Wählern genauso substanzlos sind wie immer. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Warum ich skeptisch bin? Weil aus der gleichen Partei parallel der Vorschlag kam, man könne doch die „Reichensteuer“ erhöhen. Die Idee: In einem Kuhhandel würde sich die SPD dann (vielleicht) bereit erklären, an einer echten Reform der Sozialsysteme mitzuwirken. Ernsthaft?

Erstens: Die letzte echte Reform der Sozialsysteme durch die SPD gab es vor rund 25 Jahren durch Gerhard Schröder. Sie machte Deutschland vom kranken Mann Europas zu der wohlhabenden Nation, die wir bis vor Kurzem waren. Seit ebenfalls 25 Jahren schämen sich rote Politiker für diese Leistung und haben Stück für Stück versucht, sie wieder rückgängig zu machen, damit ihr linker Parteinachwuchs nicht mehr böse auf sie ist.

Zweitens: Dieser Staat hat soeben historische Rekordschulden aufgenommen. Er schwimmt im Geld. In Geld im Übrigen, das er niemals zurückzahlen wird. Nicht kann. Nicht will. Nicht wird. Thema Zinsen: Irgendwann werden sie steigen. Bei 500 Milliarden Volumen macht jeder Prozentpunkt 5 Milliarden mehr. Pro Jahr. Nur Zinsen. Mal als Größenordnung. Aber das ist eine andere Geschichte. In dieser Situation so zu tun, als hätte man ein Einnahmenproblem, ist schlicht und einfach unverschämt. Kommt einfach mit eurem Geld aus! Hört auf, den Bürgern ständig in die Taschen zu langen!

Wenn Klingbeil und Merz realistisch und ehrlich wären, dann würden sie die aktuelle Koalition („groß“ kann man sie nicht nennen) hier und jetzt beerdigen. Wenn Merz seine Worte ernst meint, dann muss er wissen, dass seine Pläne mit den Sozialisten nicht zu machen sind.

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