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18.06.2020 Nikolas Kessler

Wirecard-Aktie crasht um 70 Prozent – „Wir sind fassungslos“

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Wirecard

Der Bilanz-Krimi bei Wirecard hat sich am Donnerstag dramatisch zugespitzt. Das Management hält es für denkbar, dass das Unternehmen Opfer eines gigantischen Betrugs geworden ist. Es geht um Milliarden. Anleger und Analysten reagieren entsetzt.

„Wir sind fassungslos“, sagte Ingo Speich, Fondsmanager bei Deka Investments, gegenüber dem AKTIONÄR. Damit spricht er wohl den meisten Investoren aus der Seele. Denn was sich derzeit bei Wirecard abspielt, ist katastrophal.

Der Zahlungsabwickler hat seit rund eineinhalb Jahren mit Bilanzzweifeln zu kämpfen, stellte die Vorwürfe bislang aber immer als perfide Masche von Shortsellern dar. Am Donnerstag musste das Unternehmen nun doch über Unklarheiten in der Bilanz informieren und die Vorlage einer testierten Bilanz zum vierten Mal verschieben.

Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY habe das Unternehmen darüber informiert, dass über die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen. Somit steht etwa ein Viertel der gesamten Bilanzsumme im Feuer. Wirecard hält es für möglich, Opfer eines „gigantischen Betrugs“ geworden zu sein, sagte ein Sprecher.

Aktie verliert über zwei Drittel an Wert

Viele Anleger hat die Meldung eiskalt erwischt – zumal sich im Vorfeld der erwarteten Bilanzvorlage an der Börse zuletzt Optimismus breitgemacht hatte: Bis zu 17 Prozent ist der Kurs seit Montag nach oben geklettert. Wohl auch, weil Wirecard die Investoren vor kurzem noch in Sicherheit wog. „Das Unternehmen erwartet ein uneingeschränktes Testat“, hieß es noch am 25. Mai in einer Mitteilung.

Das ist jetzt Makulatur. Die Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts 2019 wurde zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Daraufhin bricht die Wirecard-Aktie am Donnerstag um bis zu 70 Prozent auf rund 29,90 Euro ein – der tiefste Stand seit rund vier Jahren.

Auch die im Oktober 2019 ausgegebene Wirecard-Anleihe mit fünfjähriger Laufzeit kommt am Donnerstag massiv unter die Räder. Der Preis von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) ist derweil nahezu explodiert – und zwar bereits in der Vorwoche. Die Prämie der 5-jährigen CDS lag am 5. Juni noch bei rund 500 Basispunkten und ist anschließend bis auf 1.409 Basispunkte nach oben geschossen. Hier hatten einige offenbar bereits mit heftigen Turbulenzen gerechnet.

Bloomberg

Ist das erst der Anfang?

Die heutige Meldung über Bilanzunklarheiten hat neben dem Kurshorror eine wahre Flut an Reaktionen ausgelöst: Kann das Unternehmen bis zum morgigen Freitag, 19. Juni, keinen testierten Jahresbericht vorlegen, könnten Banken bestehende Kredite im Volumen von zwei Milliarden Euro kündigen. Bei der nächsten planmäßigen Index-Überprüfung im September droht zudem ein Rauswurf aus dem DAX (DER AKTIONÄR berichtete).

Zahlreiche Analysten haben bereits ihre Empfehlungen für die Aktie gestrichen oder die Bewertung ausgesetzt. Die Finanzaufsicht BaFin und die Münchner Staatsanwaltschaft wollen die Geschehnisse prüfen. Rufe nach Sammelklagen und personellen Konsequenzen werden laut.

Es habe sich wieder gezeigt, dass den Ankündigungen von Wirecard keine Taten folgen, so Fondsmanager Speich. „Ein personeller Neuanfang ist dringender denn je.“ Bereits nach dem KPMG-Desaster im Mai hatte Deka den Rücktritt von Vorstandschef Markus Braun gefordert. Auch für COO Jan Marsalek, der das fragliche Drittpartnergeschäft und das Asien-Geschäft verantwortete, könnte es nun eng werden. Die Verträge beider Manager laufen im Dezember aus und stehen derzeit zur Verlängerung.

Wirecard (WKN: 747206)

Blackbox Wirecard

In der aktuellen Ausgabe (26/2020) hatte DER AKTIONÄR kurz vor der erwarteten Bilanzvorlage noch einmal vor möglichen Rückschlagrisiken gewarnt. Auf der Empfehlungsliste befindet sich der DAX-Titel bereits seit Mitte Mai nicht mehr.

Mit Material von dpa-AFX.

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