Die Stimmung bei Mercedes-Benz ist angespannt. Konzernchef Ola Källenius warnt in einem dramatischen Appell vor einem Kollaps des europäischen Automarktes und rückt von seiner umstrittenen Luxusstrategie ab. Angesichts eines Gewinneinbruchs um 56 Prozent und sinkender Margen herrscht nun der Krisenmodus.
In seiner zusätzlichen Rolle als Präsident des europäischen Automobilverbands ACEA findet Källenius deutliche Worte zum geplanten Verbrenner-Verbot ab 2035. „Wir müssen einen Realitätscheck machen. Sonst fahren wir mit Vollgas gegen die Wand“, so der Mercedes-Chef im Interview mit dem Handelsblatt. Anstatt eines starren Enddatums fordert er eine intelligentere Steuerung über Anreize wie günstige Ladestrompreise und steuerliche Vorteile. Andernfalls, so die düstere Prognose, verspiele Europa die wirtschaftliche Stärke seiner Schlüsselindustrie.
Düstere Zahlen, Strategie auf dem Prüfstand
Die Warnungen kommen zu einer Zeit, in der Mercedes-Benz selbst mit erheblichem Gegenwind zu kämpfen hat. Die Marge im Kerngeschäft ist auf nur noch sechs Prozent gefallen, was bei Analysten für Sorgenfalten sorgt. Källenius beschreibt die Lage der Branche mit einer bildhaften Metapher: „Unsere Industrie erlebt zugleich Starkregen, Hagel, Sturm und Schnee. Autobau ist ein hartes Geschäft, mehr denn je.“
Als Reaktion auf die Marktentwicklungen scheint der Konzern nun auch seine bisherige „Luxus first“-Strategie anzupassen. Zwar betont Källenius, dass der Anteil der hochprofitablen Top-Modelle wie der S-Klasse oder Maybach am Gesamtabsatz von elf auf über 14 Prozent gesteigert werden konnte. Doch gleichzeitig gibt er zu, im wichtigen Mittelklassesegment bei den E-Autos eine Lücke gelassen zu haben. Auch im Kompaktsegment wird nachjustiert: Die Produktion der beliebten A-Klasse wird bis 2028 verlängert, um die Angebotslücke zu schließen – ein klares Signal, dass man auf Volumen im Einstiegsbereich nicht verzichten kann.
Produktoffensive als Ausweg?
Die Antwort auf die Krise soll eine beispiellose Produktoffensive sein. „Zwischen 2025 und 2028 bringen wir Dutzende neue, sehr attraktive Fahrzeuge auf den Markt“, verspricht Källenius. Der Fokus liegt dabei auf der Schließung der Elektrolücken. Mit den kommenden E-Versionen der Bestseller GLC und C-Klasse wolle man „in die Offensive gehen“. Spätestens 2027 sollen sich diese Anstrengungen auch wieder in den Geschäftsbüchern niederschlagen. Ein Sanierungsfall sei der Konzern keinesfalls, man gehöre weiterhin zu den profitabelsten Herstellern der Welt.
Darwinistischer Kampf in China
Besonders besorgniserregend bleibt die Lage im wichtigsten Einzelmarkt China. Källenius spricht von einem „darwinistischen Wettbewerb“, den er mit dem chinesischen Begriff „Involution“ beschreibt. Dort würden Autos teils unter Herstellungskosten verkauft, befeuert durch massive Subventionen und Überkapazitäten. Eine Marktbereinigung sei unausweichlich, werde aber „definitiv eher acht als drei Jahre“ andauern. Mercedes-Benz setze hier auf einen langen Atem und eine gesunde Balance zwischen Marktanteilen und Profitabilität, gestützt auf eine Nettoliquidität von über 30 Milliarden Euro. Man werde nicht um jeden Preis am Preiskampf teilnehmen.
Ola Källenius agiert im Krisenmodus. Seine Warnung vor dem Verbrenner-Aus ist auch ein Signal, dass die Transformation zur E-Mobilität länger dauert und teurer wird als erhofft. Ein Einstieg drängt sich bei der Mercedes-Aktie derzeit nicht ein. DER AKTIONÄR favorisiert hingegen den Münchner Rivalen BMW.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Mercedes-Benz Group AG.
11.08.2025, 14:34