Im Zollkonflikt hatte China im April die Abnahme neuer Boeing-Jets verweigert und in die USA zurückgeschickt. Doch der chinesische Nachbar Taiwan hat offenbar keine Angst vor Trumps Zöllen: Am Donnerstag hat die taiwanesische Gesellschaft China Airlines einen Großauftrag für Langstrecken-Flugzeuge an Boeing vergeben. Auch aus Qatar kommt wohl ein Milliarden-Deal.
Boeing hat bekannt gegeben, dass China Airlines zehn Langstrecken-Passagierflugzeuge vom Typ 777-9 und vier 777-8 Frachtflugzeuge bestellt hat. China Airlines ist die erste Fluggesellschaft in Taiwan, die die besonders Treibstoff-effizienten neuen 777X kauft. Die Airline plant, diese Großraumflugzeuge vor allem Richtung Nordamerika und Europa einzusetzen.
Zusätzlich zu der Festbestellung, die auf der Boeing-Website für Bestellungen und Auslieferungen als nicht identifizierbar ausgewiesen ist, hat die Fluggesellschaft Optionen für den Kauf von fünf weiteren 777-9 und vier 777-8 Frachtern erteilt. Im Dezember hatte Taiwans größte Fluggesellschaft bekannt gegeben, dass sie auch zehn Airbus A350-1000 kaufen wolle. Die neuen Flugzeuge sollen ab 2029 ausgeliefert werden.
Boeing kann wohl auch aus Katar auf einen weiteren Großauftrag hoffen. Donald Trump reist noch im Mai in den Golf-Staat. Die Visite in Doha könnte einen Milliarden-Deal nach sich ziehen: Qatar Airways plant einen Auftrag über 100 neue Langstrecken-Flugzeuge. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg soll es sich bei der Bestellung überwiegend um Flugzeuge vom Typ 787 ('Dreamliner') handeln, aber auch einige zusätzliche 777X einschließen.
Bereits am Anfang März hatte Thierry Antinori, CCO von Qatar Airways, gegenüber Reuters angedeutet, dass die Vorbereitungen für ein einen Deal laufen. "Um das Wachstum von morgen zu sichern, ... arbeitet unser CEO an der Angebotsanfrage mit dem Flugzeughersteller, um bald eine große Bestellung zu platzieren", sagte Antinori damals. Er ließ jedoch offen, ob ein möglicher Deal mit Boeing, Airbus oder einer Kombination aus beiden in Frage kommt.
Denn laut Branchenkreisen kann Airbus ebenfalls mit neuen Aufträgen aus Katar rechnen. Nach einem endlich beigelegten Rechtsstreit um Mängel an A350-Maschinen wird Qatar Airways Interesse am Ausbau der eigenen Teilflotte A350-1000 nachgesagt.
An der Börse bleiben die guten News bei Boeing zunächst ohne nachhaltigen Effekt. Die Boeing-Aktie zeigt sich am Donnerstag vorbörslich nur leicht verbessert bei 187,12 Dollar. Am Mittwoch war der Dow-Jones-Wert bei 185,56 Dollar aus dem handel gegangen.

Charttechnisch könnte sich nun eine Entscheidung anbahnen: Der Boeing-Kurs steht nach einer steilen Erholungsbewegung seit dem April-Tief nun vor der Hürde bei 188 Dollar. Wenn sie überwunden wird, wartet bei etwa 192 Dollar eine weitere Hürde. Dort scheiterte die Boeing-Aktie im vergangenen Sommer mehrmals.

Gescheitert ist bislang auch die Lieferung einer neuen Präsidentenmaschine an Donald Trump. Doch scheint sich der Einsatz von Elon Musk in Sachen 'Air Force One' gelohnt zu haben. Der Tesla-Chef war vom Präsidenten zu Boeing geschickt worden, Druck auf die Fertigstellung seines neuen Spezial-Jumbos zu machen und dafür möglicherweise Sicherheitsanforderungen zu lockern.
Nun wurde bekannt, dass die Regierung tatsächlich einige Sicherheitsanforderungen für die Boeing-Produktionsstätte aufgehoben hat. Laut Darlene Costello, stellvertretende Sekretärin der Air Force, könne Boeing nun bei der Montage des Flugzeugs "effizienter und produktiver" arbeiten. Boeing habe vorgeschlagen, seine verspätete neue Version der Air Force One nun im Jahr 2027 auszuliefern. Zuletzt hieß es, dass es dazu wohl frühestens 2029 kommen würde (DER AKTIONÄR berichtete).
Airbus hat am Mittwochabend bekannt gegeben, im April 56 Maschinen an 33 Kunden ausgeliefert zu haben. Im bisherigen Jahresverlauf kommt der weltgrößte Flugzeugbauer damit auf 192 Maschinen. Die kanadische Bank RBC hat daraufhin die Einstufung für Airbus auf "Outperform" mit einem Kursziel von 185 Euro bestätigt. Mit den Auslieferungszahlen liege Airbus zwar etwas hinter dem Vorjahr zurück. Analyst Ken Herbert sei nach wie vor jedoch der Meinung, dass sich die Anleger in erster Linie auf die Umsetzung des Jahresziels von 820 Fliegern und die Übernahme einiger Werke des US-Flugzeugzulieferers Spirit Aerosystems konzentrieren dürften.
Die Großaufträge sind gut für den geschundenen US-Flugzeugbauer. Möglicherweise kann Boeing bald sogar noch weitere Deals eintüten. Denn der große Profiteur Airbus ist für die nächsten sieben Jahre komplett ausgebucht. Neuaufträge bei den Europäern dürften also erst im nächsten Jahrzehnt ausgeliefert werden. Boeing könnte möglicherweise früher liefern.
Über allem schwebt nach wie vor der Zoll-Konflikt. Eine Lösung dürfte beiden Aktien Rückenwind verleihen. Airbus ist etwas besser aufgestellt und deshalb der Favorit des AKTIONÄR. Am Donnerstag-Mittag gehört die Aktie mit einem Tagesplus von 1,8 Prozent auf 157,28 Euro zu den besten Werten im DAX.