Der Gesundheitsriese UnitedHealth steht unter massivem Druck: Laut Medienberichten zahlte die Konzern-Tochter Optum heimlich Boni an Pflegeheime, um Krankenhausüberweisungen zu vermeiden. Die Enthüllung fällt in eine Phase wachsender Kritik an dem Dow-Jones-Konzern. DER AKTIONÄR blickt auf die Fakten, beleuchtet Hintergründe und verrät was Anleger jetzt wissen müssen.
Ein exklusiver Bericht des Guardian bringt UnitedHealth erneut in die Schlagzeilen: Demnach zahlte der Konzern heimlich finanzielle Anreize an Pflegeheime, um Kliniküberweisungen kranker Bewohner zu reduzieren. In mindestens einem dokumentierten Fall führte das mutmaßlich zu irreversiblen Gesundheitsschäden bei einem Patienten – inklusive bleibender Hirnschädigung. Interne Protokolle und Whistleblower-Aussagen stützen die Vorwürfe.
UnitedHealth wies die Anschuldigungen zurück und erklärte, es handele sich um „verifizierbar falsche“ Behauptungen. Die Boni dienten lediglich der Reduktion „unnötiger Krankenhausaufenthalte“, so der Konzern.
Kern der Enthüllungen ist ein internes Bonusprogramm namens „Premium Dividend“, bei dem Pflegeheime je nach Quote vermiedener Kliniküberweisungen („admits per thousand“, kurz APK) entlohnt wurden. Wer zu oft ins Krankenhaus überwies, ging leer aus oder musste Rückzahlungen leisten. Interne E-Mails belegen, dass Pflegeteams teils unter Druck standen, den Krankenhauszugang zu verzögern oder ganz zu verweigern – teils mit fatalen Folgen.
Ein Whistleblower spricht von einem System, das „Profitabilität über Patientenwohl“ stelle. Laut Bloomberg wurde die Praxis in rund 2.000 Einrichtungen bundesweit eingesetzt und betrifft über 55.000 Pflegebedürftige in Medicare-Advantage-Plänen.
Der Abstieg
Bereits Anfang des Jahres geriet UnitedHealth ins Visier von Aufsichtsbehörden. Zunächst wegen möglicher Diagnosemanipulationen zur Aufblähung von Medicare-Abrechnungen. Im April folgte ein beispielloser Einbruch: Gewinnwarnung, CEO-Rücktritt, Einstellung der Jahresprognose, Ermittlungen des Justizministeriums.
CFRA-Analystin Paige Meyer hatte bereits im Februar als Einzige auf „Verkaufen“ gestellt – sie sollte recht behalten: Die Aktie verlor seither rund 36 Prozent an Wert und das Unternehmen damit über 170 Milliarden Dollar an Börsenwert.
Während JPMorgan, Wells Fargo und andere noch im April optimistisch blieben, kam das Desaster völlig überraschend. Baird-Analyst Michael Ha sprach von einem „kompletten Schock“. Nur wenige, wie der ETF-Manager Mike Taylor (Simplify Health Care ETF), hatten UnitedHealth kritisch gesehen.
Nach dem Absturz legte der Kurs kurzfristig wieder 17 Prozent zu – gestützt durch Insiderkäufe in Höhe von 31 Millionen Dollar. Doch der neue Bericht ließ die Aktie erneut um bis zu neun Prozent im vorbörslichen Handel einbrechen.
Das Vertrauen bleibt erschüttert. Der neue CEO, Stephen Hemsley, muss nun sowohl Aufsichtsbehörden als auch Investoren beruhigen – ein Kraftakt angesichts möglicher Milliardenstrafen und drohender Klagen.
Die Enthüllungen rund um Optum stellen eine neue Eskalationsstufe im UnitedHealth-Skandal dar. Der Konzern gerät zunehmend in den Verdacht, Patientenschutz dem Shareholder Value unterzuordnen. Auch wenn die operative Basis weiter solide ist, bröckelt das Fundament: Reputationsrisiken, behördliche Ermittlungen und ein Vertrauensverlust an der Börse könnten die Bewertung dauerhaft belasten. Die Aktie ist derzeit ein Hochrisikoinvestment. Wer investiert ist, sollte konsequent mit Stopps arbeiten. Neueinsteiger brauchen starke Nerven – und sollten erst dann zugreifen, wenn die juristischen Risiken besser quantifizierbar sind.
21.05.2025, 14:34