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16.09.2020 Michael Schröder

Short-Attacke bei Grenke: Das sagen Analysten und Investoren

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Grenke

Die Grenke AG aus Baden-Baden notiert zwar bereits seit April 2000 an der Börse. Die breite Masse hat von dem Leasing-Spezialisten dabei meist nur wenig Notiz genommen. Das hat sich in dieser Woche schlagartig geändert. Die US-Investorengruppe Viceroy Research bläst zur Short-Attacke. Die Aktie bricht überproportional ein – trotz Dementi. Nun äußern sich die ersten Analysten und Fondsmanager.

Grenke agiert vor allem im sogenannten Small-Ticket-Leasing, - der Wert der im Rahmen der einzelnen Verträge angeschafften Software und Geräte - Computer, Telefone, Laptops und so weiter - ist in der Regel eher gering. Zur Gruppe gehört auch eine eigene Bank. Grenke bietet Bankkonten, Kredite und das sogenannte Factoring an. Eine Factoring-Firma kauft anderen Unternehmen üblicherweise deren Forderungen gegenüber Kunden ab und kümmert sich dann - gegen Provision - selbst um die Abwicklung der Zahlungen.

Starke Anschuldigungen

DER AKTIONÄR hat bereits berichtet: In dem 64 Seiten langen Bericht von Viceroy Research ist von betrügerischen Transaktionen verbundener Personen und Geldwäsche-Vorwürfen bei der Grenke Bank die Rede. Ein zentraler Vorwurf lautet Bilanzfälschung. Von den im Halbjahresfinanzbericht 2020 ausgewiesenen 1,078 Milliarden Euro an liquiden Mittel soll ein substanzieller Anteil nicht existieren.

Hinter Viceroy Research steht dem Vernehmen nach der ehemalige Sozialarbeiter Fraser Perring. Der Brite hatte vor zwei Jahren auch den Fernseh-Konzern ProSiebenSat.1 mit einem im Internet veröffentlichten Dokument öffentlich attackiert. Damals hatte er sich Ärger mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) eingehandelt wegen „unerlaubter Anlageempfehlung“.

Im Zusammenhang mit Wirecard ermittelte die Staatsanwaltschaft München gegen Perring wegen Marktmanipulation. Wenige Monate bevor der Bilanzskandal aufgedeckt wurde, sind die Ermittlungen gegen eine Geldauflage eingestellt worden.

Anleger sehen Parallelen zum Wirecard-Skandal und schicken die Aktie auf Talfahrt. Die Grenke-Aktie stürzt auf den niedrigsten Stand seit Juni 2015 ab. Der Börsenwert der Gesellschaft verringert sich seit Montagabend um rund 900 Millionen Euro.

Perfekter Zeitpunkt

Die Attacke der US-Investorengruppe, die nach eigenen Angaben Aktien des Leasing- und Finanzierungsunternehmens leer verkauft hat, sei vom Zeitpunkt her perfekt gewesen und gut vorbereitet worden, sagt Analyst Marius Fuhrberg von Warburg Research. Auch wenn sich einige der Anschuldigungen kaum beweisen lassen dürften, müsse das MDax-Unternehmen vieles klarstellen, was kurzfristig kaum möglich sein dürfte.

Es sei nicht zu leugnen, dass sowohl die Unternehmensstruktur als auch die Bilanz komplex und verwirrend erschienen. Vor einer weiteren Klärung bleibe er bei seiner Bewertung („Kaufen“ mit Ziel 99 Euro) von Grenke, so Fuhrberg weiter.

Barmittel aus Anleihe und Mitelzuflüssen

Andreas Schäfer vom Bankhaus Lampe teilt den Widerspruch des Leasing- und Finanzierungsunternehmens gegen die Behauptung des selbsternannten Researchdienstes, ein Großteil der im Halbjahresfinanzbericht 2020 ausgewiesenen 1,078 Milliarden Euro liquider Mitteln existiere nicht.

Der Analyst verweist dabei auf die Aussage von Grenke, "849 Millionen Euro, also fast 80 Prozent der liquiden Mittel, befanden sich zum 30.06.2020 auf Konten der Deutschen Bundesbank – wie im Halbjahresfinanzbericht veröffentlicht. Per heute beträgt das Guthaben bei der Bundesbank 761 Millionen Euro".

Der starke Anstieg der Barmittel im ersten Halbjahr sei durch die Ausgabe einer 200 Millionen Euro schweren Anleihe im April wegen der Corona-Pandemie sowie starker Mittelzuflüsse von Depotkunden erklärbar, so Schäfer. Abhängig von den Anlagelaufzeiten zahle Grenke Zinsen zwischen 0,18 und 0,7 Prozent. Das zeige, dass das Unternehmen keine ungewöhnlich hohen Zinsen zahlen müsse, um an neue Liquidität zu kommen. Das Bankhaus Lampe hat die Einschätzung auf "Halten" mit einem Kursziel von 68 Euro belassen.

Fonds-Manager sieht keine belastbaren Belege

Auch ein erster institutioneller Investor hat sich zu Wort gemeldet: Acatis hält als institutioneller Anleger Aktien und Anleihen der Grenke AG in mehreren Investmentfonds und hat die erhobenen Vorwürfe geprüft und sieht bislang keine belastbaren Belege für die Anschuldigungen. „Die Vorwürfe erscheinen uns nicht stringent und gleichen einer zusammengesetzten Collage“, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung.

„Zu einem der zentralen Punkte von Viceroy Research, dass die von Grenke ausgewiesenen Bankguthaben nicht oder nur teilweise existierten, hat die Grenke AG am Abend des 15. September eine Pressemitteilung veröffentlicht und diesem Vorwurf entschieden widersprochen. Das Guthaben bei der Deutschen Bundesbank betrage aktuell 761 Millionen Euro, was den Großteil der im Halbjahresbericht 2020 ausgewiesenen liquiden Mittel von 1,078 Mrd. Euro ausmache.“

Allein diese Tatsache konstatiere einen großen Unterschied zum Wirecard-Fall, bei dem sich Guthaben in Milliardenhöhe bei philippinischen Banken als nicht existent herausstellten.

Grenke (WKN: A161N3)

Nach dem Wirecard-Skandal sind die Anleger hochsensibel für Vorwürfe gegen Unternehmen. Unsicherheit ist bekanntlich das, was Börsianer am wenigsten mögen. Grenke steht nun unter höchstem Druck. Die bisherigen Rechtfertigungen reichen dem Markt offensichtlich nicht einmal ansatzweise. Sollten die Anschuldigungen Fraser Perrings aus der Luft gegriffen sein, würde dies zeigen, wie hilflos Unternehmen auch im Jahr 2020 noch gegen Shortseller-Attacken sind. Empfehlung des AKTIONÄR: Aktie meiden.

(Mit Material von dpa-AFX)

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