Der deutsche Aktienmarkt probt den Aufstand. Obwohl die Wall Street am Mittwoch absackte, scheint sich in Frankfurt am Morgen eine positive Tendenz durchzusetzen. Von einer Verkaufspanik ist jedenfalls weit und breit nichts zu sehen. Die Rezessionsgefahr lauert nur im Hintergrund, weshalb auch große Sprünge aufwärts eher unwahrscheinlich sind.
Trotz miserabler Vorgaben aus Übersee scheint sich am deutschen Aktienmarkt eine freundliche Tendenz durchsetzen zu wollen. Nach den massiven Vortagesverlusten werden viele Standardwerte am Donnerstag anfangs mit einer Aufschlägen erwartet. Der X-DAX als Indikator für den Leitindex DAX signalisierte kurz vor Xetra-Handelsstart ein Plus von 0,3 Prozent bei 11.528 Punkten. Am Vortag war der DAX um mehr als 2,2 Prozent eingeknickt.
Analyst Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners sprach in einem Morgenkommentar vom Versuch einer Bodenbildung beim DAX. Weiter sinkende Renditen am Anleihenmarkt hatten am Mittwoch die Sorgen vor einer weltweiten Rezession vergrößert. Auch an den Börsen in den USA und Asien suchten die Anleger das Weite. "Die Stimmung ist aktuell deutlich angeknackst.", sagte Altmann. - Was heute die Kurse beeinflussen wird.
Vorgaben aus den USA
Die Anleger an den US-Börsen haben am Mittwoch nach einem Erholungstag die Reißleine gezogen. Kurze Hoffnung im Handelskrieg mit China wich umgehend wieder der Konjunkturangst. Vor allem die inverse Zinskurve ließ die Rezessionsbefürchtungen wachsen. Der Leitindex Dow Jones Industrial kam unter die Räder, am Ende fiel er um 3,1 Prozent auf 25.479 Punkte. 800 Punkte an einem einzigen Tag hatte er in diesem Jahr noch nicht verloren.
Handelsstreit USA vs. China
US-Handelsminister Wilbur Ross zufolge hat China im laufenden Handelskonflikt keine neuen Zugeständnisse gemacht. Die Verschiebung einiger Strafzölle auf chinesische Produkte bis Dezember sei nur mit der Sorge um das Weihnachtsgeschäft begründet, erklärte Ross am Mittwoch im Gespräch mit dem Sender CNBC.
Vorgaben aus Fernost
Die globalen Konjunktursorgen infolge des Handelsstreits zwischen den USA und China haben die Börsen Asiens am Donnerstag nach unten gezogen. Die vorsichtige Hoffnung auf ein Entgegenkommen beider Seiten, die am Vortag noch für einen Erholungsversuch gesorgt hatte, verpuffte rasch. In Tokio schloss der Nikkei 225 mit einem Abschlag von 1,2 Prozent auf 20.405 Punkten. An Chinas Festlandbörsen sank der CSI 300 um ein halbes Prozent und in Hongkong ging es für den Hang Seng um 0,2 Prozent abwärts.
Quartalszahlen
Die Quartalsberichtsaison der Unternehmen ist hierzulande so gut wie durch. An diesem Donnerstag stehen nur noch wenige Geschäftszahlen einiger Nachzügler auf der Agenda, darunter der Dünger- und Salzkonzern K+S. Am Vorabend nach Börsenschluss hatten bereits United Internet und 1&1 Drillisch ihre Zahlen vorgelegt. Die beiden Telekomunternehmen werden beim Blick auf 2019 vorsichtiger.
Höhere Kalipreise, ein steigender Absatz sowie der gesunkene Euro-Kurs haben K+S im zweiten Quartal ein Plus beim operativen Ergebnis (Ebitda) von 24 Prozent beschert. Dies war aber etwas niedriger als gemeinhin erwartet wurde. Die Mitte der neuen Ebitda-Zielspanne für das Gesamtjahr 2019 liegt ebenfalls unter der durchschnittlichen Analystenschätzung. Ein Händler sprach am Morgen in einer ersten Reaktion von einem gemischten Zahlenwerk, hob aber den freien Mittelzufluss positiv hervor. Die K+S-Aktien <DE000KSAG888> stiegen im vorbörslichen Geschäft auf der Handelsplattform Tradegate im Vergleich zum Xetra-Schlusskurs vom Vortag um 3 Prozent.
Der Telekommunikationsanbieter United Internet wird beim Blick auf das Gesamtjahr vorsichtiger. Der Umsatz dürfte 2019 unter anderem wegen des schwächer laufenden Hardware-Geschäfts nur noch um 2 (bisher: 4) Prozent zulegen, teilte das Unternehmen mit. Im ersten Halbjahr kletterte der Umsatz um 1,1 Prozent und das operative Ergebnis um 11,4 Prozent nach oben. Zur Beruhigung der Gemüter kündigte der Konzern ein Aktienrückkaufprogramm für bis zu 192 Millionen Euro an. Auf Tradegate stagnierten die Aktien zuletzt bei 26,76 Euro.
Die United-Internet-Tochter 1&1 Drillisch rechnet nur noch mit einem Anstieg der Service-Erlöse um 3 (4) Prozent. Beim Ebitda wird nun ein Anstieg um 8 (10) Prozent angepeilt. Der Umsatz legte im ersten Halbjahr um 0,4 Prozent zu, das Ebitda wuchs um 0,1 Prozent. Die Papiere von 1&1 Drillisch fielen auf Tradegate um zwei Prozent.
Ihre Quartalszahlen legen heute unter anderem auch folgende Unternehmen vor: Aegon, Alibaba, Applied Materials, Aumann, Carlsberg, Deutsche Euroshop, Geberit, Hawesco, MVV Energie, Nvidia, Swisscom, Vestas und Walmart.
Konjunkturdaten
Investoren schauen heute vor allem auf zahlreiche Wirtschaftsdaten, die in den USA anstehen. Um 14.30 Uhr werden die Einzelhandelsumsätze, der Empire State Index, Philly Fed Index sowie die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gemeldet. Ebenfalls auf Interesse dürften die Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung um 15.15 Uhr stoßen. Um 16 Uhr folgen noch der NAHB-Index und die Lagerbestände.
Brexit
Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn will vorübergehend als Premierminister das Ruder übernehmen und so einen Brexit ohne Abkommen verhindern. Weniger als 80 Tage vor dem EU-Austritt plant der Alt-Linke demnach, die Parteien im Parlament dazu zu bringen, Boris Johnson mit einem Misstrauensvotum aus dem Amt zu drängen. Als neuer Premier will Corbyn den Brexit hinauszögern, Neuwahlen ausrufen und zugleich ein neues Referendum auf den Weg bringen, wie britische Medien heute berichteten.
Mit Material von dpa-AFX