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04.12.2015 Michael Schröder

Der Tag danach: DAX weiter unter Druck - EZB-Chef Draghi enttäuscht - Anleger vermissen das Kaninchen - wie geht es weiter?

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DAX

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Anleger mit ihren geldpolitischen Maßnahmen vor den Kopf gestoßen. Vor allem die Details von EZB-Präsident Mario Draghi zur Ausweitung der Anleihekäufe verfehlten die Erwartungen deutlich. "Super Mario" konnte die Märkte damit diesmal nicht mit einem weiteren geldpolitischen Coup überraschen. DAX und Co gingen auf Talfahrt.


„Alle gehen davon aus, dass EZB-Chef Mario Draghi ein Kaninchen aus dem Hut zaubert“, sagte Devisenanalyst Kit Juckes von der Société Générale vor der EZB-Pressekonferenz. Aber das Kaninchen kam nicht. Die Anleger waren beleidigt und verließen die Vorstellung – und zwar fluchtartig. Folge: Der DAX brach kräftig ein. Am Ende stand ein Verlust von 3,58 Prozent auf 10.789,24 Punkte zu Buche.

Was war geschehen? Die EZB will ihr milliardenschweres Wertpapierkaufprogramm zwar bis mindestens bis März 2017 verlängern. Bisher war als Endzeitpunkt September 2016 geplant. Zu den 1,1 Billionen des laufenden Programms kommen also nochmal knapp 400 Milliarden Euro dazu. Die Bilanzsumme der Zentralbank wird auf 3,6 Billionen Euro anschwellen.

Gleichzeitig musste Draghi in der Pressekonferenz einräumen, dass die Entscheidung nicht einstimmig gefallen war. Zuletzt hatte es Widerstand innerhalb des EZB-Rates gegen übertriebenen Aktionismus gegeben. Dennoch kündigte Draghi an, dass man das komplette Instrumentarium geldpolitischer Instrumente ausschöpfen werde. Falls es nötig werde man auch über den Ankauf weiterer, alternativer Wertpapiere nachdenken. „Das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten können wir jederzeit in seiner Dauer, seinem Volumen und seiner Strukturierung anpassen“, so der EZB-Chef. „Auch über einen langen Zeitraum sollen die Anleihen in der EZB-Bilanz bleiben. Die EZB will in jedem Fall verhindern, dass die Überschussliquidität am Markt zurückgeht“, führte Draghi aus. „Wir machen mehr, weil es wirkt, nicht, weil es gescheitert ist“, legte er nach.

Zu wenig für die Marktteilnehmer. Sie hatten mit einer Aufstockung des Volumens der monatlichen Käufe um mindestens zehn Milliarden Euro gerechnet. Entsprechend enttäuscht reagierten die Investoren, weil das Billiggeld der Notenbanken seit Jahren die Börsen antreibt. Aktuell kauft die Notenbank für bis zu 60 Milliarden Euro pro Monat.

Da half es auch nicht, dass die Notenbänker den derzeit besonders bedeutsamen Einlagensatz von minus 0,2 Prozent auf minus 0,3 Prozent senkten. Ziel ist, die Institute so dazu zu bewegen, mehr Kredite zu vergeben und so das Wirtschaftswachstum anzuschieben. Denn bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß über Bankkredite bei Unternehmen und Verbrauchern an. Die Konjunktur im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller. Zuletzt hatte die EZB den Zinssatz für die sogenannte Einlagefazilität im September 2014 auf minus 0,2 Prozent gesenkt. Der eigentlich wichtige Leitzins, zu dem sich die Banken für eine Woche Zentralbankgeld leihen können, bleibt weiter bei 0,05 Prozent.
In der Folge schoss der Eurokurs innerhalb kurzer Zeit um rund vier Cent auf mehr als 1,09 US-Dollar nach oben. Eine stärkere Gemeinschaftswährung verringert die Exportchancen hiesiger Unternehmen in Länder außerhalb der Eurozone. Das schmeckte den DAX-Bullen überhaupt nicht.

Draghi zeigte sich von der dynamischen Marktreaktion recht unbeeindruckt. „Die Märkte brauchen einfach Zeit, um die Tragweite unserer Entscheidung zu verstehen.“ Der EZB-Präsident hatte zuletzt mehrfach betont, dieses bis September 2016 ausgelegte Billionen-Programm könne ausgeweitet werden. Denn noch ist die Teuerung im Euroraum weit vom EZB-Ziel von knapp unter 2,0 Prozent entfernt. Im November verharrte die Inflation vor allem wegen gesunkener Energiepreise bei 0,1 Prozent. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Denn Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

Anders sieht es jenseits des großen Teichs aus: Die US-Notenbank Fed dürfte am 16. Dezember die Leitzinsen erstmals seit zehn Jahren leicht anheben, es sei denn der US-Arbeitsmarktbericht am Freitag (4. Dezember) würde ein komplett anderes Bild liefern als zuletzt.

Diese gegensätzlichen geldpolitischen Ausrichtungen der Zentralbanken in Washington und Frankfurt dürften den Euro auf Sicht wieder belasten. Daher ist das Szenario einer Parität mit dem heutigen Kurssprung nicht völlig aus der Welt. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Euroland würde erhöht. Vor allem exportstarke deutsche Unternehmen dürften von dieser Entwicklung profitieren. Das würde die DAX-Bullen wieder zurück auf das Parkett führen. Die Chance auf eine Gegenbewegung und ein dynamisches Comeback ist also da - auch wenn sich die US-Börsen heute auch mit roten Vorzeichen aus dem Handel verabschiedet haben und es Freitag zunächst weiter nach unten gehen dürfte.

Was sagt die Charttechnik? Bestätigt sich am Freitag der nachhaltige Durchbruch unter die 200 Tage-Linie im 11.085 Zähler, muss mit der Ausweitung der laufenden Konsolidierungsbewegung gerechnet werden. Die nächste Unterstützungszonen wartet erst zwischen
10.600 und 10.510 Punkten. "Zeigt sich auch in dieser Zone kein neues Kaufinteresse, muss insgesamt die Erwartungshaltung in Richtung einer fortgesetzter Jahresendrallye hinterfragt werden", so die Analysten der DZ-Bank.

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(Mit Material von dpa-AFX)

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