Vor dem morgigen Feiertag, an dem am deutschen Aktienmarkt gehandelt wird, verebbten nach einem frühen Allzeithoch im DAX die Kaufaufträge. Der Leitindex ging mit Abschlägen auf Tagestief in den Feierabend. Die lange starken Aktien von Airbus und MTU rutschten ebenfalls. Vor Rheinmetall an die DAX-Spitze schoben sich indes am Nachmittag die Auto-Werte.
Nach einem neuem DAX-Rekord bei knapp 24.326 Punkten und einem Jahresplus von 22 Prozent haben Anleger am Mittwoch Gewinne mitgenommen. Der deutsche Leitindex schloss auf seinem Tagestief bei 24.038,19 Punkten mit einem Minus von 0,8 Prozent. Der MDAX rettete noch ein Mini-Plus von 0,05 Prozent auf 30.648,82 Punkte über die Ziellinie, nachdem er im Verlauf bei knapp 30.830 Punkten den höchsten Stand seit gut drei Jahren erreicht hatte. Gerade der Mittelstand gilt als Profiteur der Milliardeninvestitionen der neuen deutschen Regierung.
Dass sich im DAX zur Wochenmitte nicht mehr genug neue Käufer fanden, könnte auch am Risiko liegen, dass sich durch die Geschäftszahlen des KI-Riesen Nvidia nach Börsenschluss in den USA ergibt. Nvidia-Berichte haben große Bedeutung für die Anlegerstimmung – weit über den Tech-Sektor hinaus.
Einem Börsianer zufolge steht dieses Mal auch "noch mehr auf dem Spiel", da das allgemeine Vertrauen in KI-Halbleiter wegen der Handels- und Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump wackeliger geworden sei. Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets schrieb: "Wer will schon auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn Nvidia, nach Marktkapitalisierung anderthalbmal so schwer wie der Dax, heute Abend auch über das Wohl und Wehe des Gesamtmarktes entscheidet."
Die Rekordrally von Rheinmetall und anderen Rüstungswerten wie Renk und Hensoldt kennt derweil auch nach prozentual dreistelligen Jahresgewinnen kein Ende. Die Papiere von Rheinmetall kletterten am Morgen erstmals über 1.900 Euro und wurden in der Spitze zu 1.936 Euro gehandelt. Damit wuchs das Kursplus 2025 auf 215 Prozent. Renk kommen gar auf 329 Prozent und Hensoldt auf fast 170 Prozent. Auch Renk und Hensoldt markierten neue Rekordstände. Rheinmetall ging im Xetra-Handel knapp unter der 1.900-Euro-Marke in den Feierabend.
Der Nato-Gipfel in einem Monat wirft derweil seine Schatten voraus. Viel diskutiert wird über die Höhe künftiger Militärausgaben gemessen am prozentualen Anteil an der Wirtschaftsleistung (BIP) der Bündnisstaaten. Die USA fordern fünf Prozent. Der UBS-Experte Sven Weier stockte sein Rheinmetall-Kursziel auf 2.200 Euro auf.
Am Nachmittag kam es zu einem Favoritenwechsel bei den Tagessiegern im DAX. BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und auch Porsche gewannen zwischen gut vier und knapp einem Prozent. Grund waren Zoll-Hoffnungen: Mehrere deutsche Autohersteller verhandeln einem Pressebericht zufolge mit der US-Regierung über die Ausgestaltung von Zöllen.
BMW, Mercedes und der VW-Konzern arbeiteten mit dem US-Handelsministerium an einem Mechanismus, der Import- und Exportleistungen miteinander verrechne, berichtete das Handelsblatt am Mittwochnachmittag unter Berufung auf Konzernkreise. Eine Einigung werde bis Anfang Juli angestrebt. Im Gegenzug für Zollerleichterungen hätten die deutschen Autohersteller Milliardeninvestitionen in den USA in Aussicht gestellt.
Zuvor lagen die Aktien von MTU und Airbus lange an der DAX-Spitze. Der Triebwerkshersteller markierte dabei einen neuen Rekord. Das Jahresplus liegt aber nur bei vergleichsweise mageren elf Prozent. Laut der Jefferies-Expertin Chloe Lemarie profitierten sie am Mittwoch vom Ende eines mehrwöchigen Streiks der Mitarbeiter des Partners Pratt & Whitney. Auch Airbus legten zu. Pratt & Whitney fertigt die GTF-Triebwerksfamilie, die vor allem die Airbus-Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo antreibt. Hier gab es in der Vergangenheit massive Probleme.
Europaweit vorn lagen Immobilien-Werte, die mit einem Jahreshoch ihre bisher unterdurchschnittliche Entwicklung verbesserten. Zuletzt sanken die Renditen am Anleihemarkt, was ihnen entgegenkommt. Der Gewerbeimmobilien-Spezialist Aroundtown war derweil nach Zahlen gefragt.
Höher gesteckte Ziele von Heidelberg Materials halfen den Aktien des Baustoffkonzerns am Kapitalmarkttag zur Wochenmitte nicht weiter. Langfristig böten sie aber eine überzeugende Gelegenheit, schrieb Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan. Die schwächere Kursentwicklung am Mittwoch mit minus 2,5 Prozent führte sie auf Gewinnmitnahmen nach sehr starkem Verlauf in diesem Jahr zurück. Seit Jahresanfang haben Heidelberg Materials noch immer um fast die Hälfte zugelegt und zählen zu den stärksten DAX-Werten.
Am Devisenmarkt kam der Euro unter Druck. Am Nachmittag rutschte die Gemeinschaftswährung sogar unter die 1,13-Dollar-Marke. In den USA waren Konjunkturdaten zuletzt besser als erwartet ausgefallen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die US-Notenbank etwas zurückgegangen ist und der amerikanischen Währung Auftrieb verlieh.
"An den Finanzmärkten ist wieder mehr Zuversicht eingekehrt", kommentierten Experten der Landesbank Hessen-Thüringen. Allerdings wiesen sie auch darauf hin, dass die Risiken für einen Stimmungsdämpfer wegen des weiter ungelösten Zollkonflikt zwischen den USA und der Europäischen Union sowie der geopolitischen Krisen hoch seien.
Enthält Material von dpa-AFX