Die Palantir-Aktie zeigt heute in einem freundlichen US-Markt einen Stabilisierungsversuch. Angesichts der eigentlich starken Zahlen und der steigenden Kursziele hätte ein weiteres deutliches Abrutschen auch etwas verwundert. Aber zum Wundern gibt es ja noch die Briefe, die Palantir-Chef Alex Karp traditionell zu den Quartalszahlen des US-Spezialisten für Datenanalyse veröffentlicht.
Ein Meinungsbeitrag.
Die alte Platte
Im jüngsten Aktionärsbrief demonstriert Karp einmal mehr, dass er nicht nur Zahlen liefert, sondern Weltanschauung: In gewohnt pathetischem Ton feiert er die Unternehmenskultur als Gegenmodell zu klassischen Konzernstrukturen – mutig, unkonventionell, fast missionarisch. Palantir sei nicht durch Gremien entstanden, sondern durch Prinzipientreue, Risikobereitschaft und eine klare politische Haltung.
Karp bekräftigt das Bekenntnis zur engen Zusammenarbeit mit dem US-Militär und spricht vom „Schutz derer, die uns am nächsten stehen“. Zugleich kritisiert er die amerikanische Bildungselite scharf: eine „Kulturaristokratie“, die moralische Überlegenheit beanspruche, aber produktives Handeln verweigere. Sein Gegenentwurf: Ergebnisorientierung, Pflichtethos und eine Rückbesinnung auf nationale Verantwortung – gestützt durch Zitate von Augustinus, Houellebecq und, durchaus kontrovers, Richard Nixon.
Fragwürdige Wahl
Gerade letzterer dürfte für Stirnrunzeln sorgen: Karp schließt den Brief mit einem Appell Nixons an seine Mitarbeiter, „niemals kleinlich zu sein“ – eine Mahnung gegen Hass und Selbstzerstörung.
Nun werden viele Anleger angesichts des starken Laufs der Palantir-Aktie in den vergangenen Quartalen sicher nicht kleinlich sein wollen. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein: Herr Karp, was ist eigentlich aus Ihren Werten und Idealen geworden?
Anbiedern bei Donald Trump und Elon Musk (siehe weiterführende Beiträge am Artikelende)? Wo Trump bislang nicht durch übermäßige intellektuelle oder humanitäre Kapazitäten aufgefallen ist, sondern eher durch Nähe zu Staatsführern, die auf Kriegsfuß mit westlichen Werten stehen? Und Elon Musk, der mit DOGE ja angeblich ein ach so unterstützenswertes Effizienzprogramm fährt, bei dem sich aber inzwischen wenig überraschend die Frage stellt, ob es am Ende auch nur ansatzweise die ursprünglichen Einsparversprechen erfüllen kann. Und ob der Preis womöglich gar den Nutzen übersteigt.
Nun also ein Nixon-Zitat, weil es gerade so schön passt? Ungeachtet dessen, dass Nixon für Watergate, Feindeslisten und Vertrauensverlust steht? Was kommt als nächstes? Ein Verweis auf Machiavelli? Auf Mao? Auf ...? Nein, Hitler-Zitate wären dann wohl doch „too much“. Oder?
Was all das mit der Palantir-Aktie zu tun hat? Es ist ein ungewöhnliches Unternehmen mit einem ungewöhnlichen Chef und einer gepflegten Außenseiter-Mentalität – obwohl man längst zum Establishment gehört. Karps Brief deutet an, was vielleicht auch bei der Führung Palantirs ein Problem sein könnte: Man richtet sich ein in der Idee der eigenen Überlegenheit und Kantigkeit. Unterdessen lässt beim moralischen Kompass die Kalibrierung nach. Mut, Offenheit und Feingefühl schwinden. Das mag kein Problem sein, solange die Zahlen stimmen und der Aktienkurs im Aufwärtstrend ist. Aber was macht Karp eigentlich, wenn es mal nicht so läuft? Das Geschäft in Europa bleibt eine Baustelle. Karp hat dazu 2023 gesagt: „Ich habe die Leute in Europa angeschrien. Aber es wird sich nicht ändern.“ Karp sollte recht behalten. Vielleicht auch, weil er sich nicht ändern wollte?
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Palantir Technologies.