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Foto: Börsenmedien AG
14.06.2018 Bernd Förtsch

Ansichtssache, Frau Merkel

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Angela Merkel in Schulmeisterpose, ihr gegenüber der bockige US-Präsident mit verschränkten Armen. Dieses Foto, gepostet von ihrem Regierungssprecher, avancierte in kürzester Zeit zum Renner in den sozialen Medien. Die Botschaft war klar: Der isolierte US-Präsident, der mal wieder Porzellan zerdeppert hat wie ein rüpelhafter Babyelefant im sprichwörtlichen Porzellanladen, wird von der deutschen Bundeskanzlerin ermahnt. Um sie herum – und gegen Trump – die Regierungschefs der anderen G7-Nationen. Die Anführerin der freien Welt verteidigt Freihandel und Demokratie gegen den Chaoten im Weißen Haus. So weit die eine, deutsche, Sichtweise.

Doch es gibt auch andere. Wer dem Twitter-Geschehen rund um den Gipfel ein wenig intensiver folgte, fand ein Foto, in dem Donald Trump mit einem Lächeln im Zentrum der Gruppe sitzend zu sehen ist, die anderen Staatschefs lauschen andächtig. Gepostet hat es – Überraschung! – ein Mitarbeiter des US-Präsidenten. Analoge Fotos gibt es aus den Lagern Macron, Conte, Trudeau und Abe. Immer ist die Perspektive so gewählt, dass der jeweilige Regierungschef möglichst vorteilhaft im Mittelpunkt des Geschehens steht. Wie heißt es so schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Doch zurück zur Kanzlerin und ihren Medien, die im Anschluss die Isolation der USA verkündeten. In der „Tagesschau“ wurde das Land unter Trump in einem NDR-Kommentar als „Irrlicht“ der Weltpolitik bezeichnet. Es müsse „klare Kante“ gezeigt werden. Europa, Japan und Kanada müssten sich zusammentun.

Ein geeintes Europa und Deutschland umgeben von Freunden im Lager der Guten. Idyll pur, oder? Lassen Sie mich kurz aufzählen: Österreich sowie Ungarn, Polen, die Slowakei und Tschechien, die sogenannte Visegrád-Gruppe, sind auf fast allen Politikfeldern aktuell meilenweit von deutschen Positionen entfernt. Die Briten verhandeln gerade ihren Abschied. Mit den Türken und den Italienern ist vielleicht zu rechnen – vorausgesetzt jemand übernimmt die Rechnungen. Ma­cron hat ganz fantastische Pläne, aber auch genaue Vorstellungen, wer sie bezahlen soll – nämlich wir. Die Griechen mögen uns auch schon länger nicht mehr uneingeschränkt. Und Putins Russland wurde bei G7 ausgeladen und verfolgt nun wirklich ganz eigene Ziele. Europa als Einheit und neue Größe der Weltpolitik? Entschuldigen Sie, wenn ich lache.

Es ist wie bei dem Foto – alles eine Frage der Perspektive. Wir sollten uns ganz schnell von dem Gedanken verabschieden, dass wir Teil einer großen Allianz wären oder werden könnten, die den USA Paroli bietet. Für eine solche Allianz fehlen einfach die Mitglieder in einer Zeit, in der jeder sein eigenes Süppchen kocht. Darüber sollte Kanzlerin Merkel dringend nachdenken und sich vielleicht wieder ein bisschen mehr um die deutsche (Innen-)Politik kümmern. Da gibt es genug zu tun – nur eben keine so tollen Fotos.

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