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08.04.2022 von Financial Times

Web3: Großer Hype und nichts dahinter?

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Von Richard Waters
Financial Times
Übersetzung: Laura Markus


Wenn die Tech-Bewegung, die als Web3 bezeichnet wird, die nächste Goldgrube des Internets sein soll, warum hört man dann nicht mehr über die Plattform und ihre nützlichen Anwendungen? Und warum stürzen sich nicht mehr Entwickler darauf, um das große Geld zu machen?

Diese Fragen stehen unangenehm im Raum, denn Kryptowährungen – die angeblich die Grundlage für die neuen Web3-Anwendungen bilden sollen – boomen weiterhin. Seit November ist etwa eine Billion Dollar aus der Krypto-Blase geflossen, doch es sind immer noch zwei Billionen Dollar übrig. Wofür werden diese digitalen Vermögenswerte am Ende verwendet, dass so eine hohe Summe nötig ist?

Web3 basiert auf der Überzeugung, dass eine blockchainbasierte Technologieplattform eine neue Art von Anwendungen schaffen wird. In einer sogenannten „vertrauenslosen“ Online-Welt werden digitale Token alle möglichen Interaktionen vermitteln. Niemand wird mehr die Regeln vorgeben oder den Großteil des Gewinns für sich beanspruchen. Die Nutzer werden die Kontrolle haben.

Bislang ist es jedoch schwierig, eine allgemeine Verwendung für diese Technologie zu finden. Die wichtigsten Anwendungen – Non-Fungible Token (NFTs) und dezentralisiertes Finanzwesen (DeFi) – basieren fast ausschließlich auf Finanzspekulation und Regulierungsarbitrage. Wenn die Spekulanten baden gehen und die Aufsichtsbehörden sich entscheiden, die Gesetzeslücken zu schließen, was wird dann noch übrig sein?

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Im Silicon Valley gibt es eine alte Binsenweisheit: Wer wissen will, wo die nächsten großen Ideen entstehen, muss dort suchen, wo das Kapital und die klugen Entwickler sind. Bei Web3 hat es sicherlich nicht an Kapital gefehlt. Aber nur wenige Entwickler haben sich entschlossen, auf diesen speziellen Zug aufzuspringen.

Laut einer aktuellen Studie von Electric Capital haben Ende letzten Jahres rund 18.000 Entwickler aktiv in der Kryptowelt gearbeitet. Das klingt vielleicht nach viel. Aber wie Tomasz Tunguz, Risikokapitalgeber bei Redpoint, betont, ist das nichts im Vergleich zu den 16,4 Millionen Entwicklern, die mit JavaScript arbeiten, der wichtigsten Programmiersprache für die heutige Generation von Web-Anwendungen. Selbst 18.000 ist wahrscheinlich übertrieben: Die Zahl der Personen, die mindestens zehn Tage im Monat an Web3 arbeiten, liegt unter 5.000.

Das liegt unter anderem daran, dass zu wenige Entwickler die neuen Sprachen beherrschen, die man für die Entwicklung dezentraler Anwendungen braucht. Laut Tunguz bremst dies das Wachstum von Web3-Unternehmen. Allerdings könnte sich das bessern, wenn mehr Tools entwickelt werden, die den Ingenieuren in diesem Bereich das Leben erleichtern.

Das ist aber nur ein Teil der umfangreichen Modernisierung, die notwendig ist, um die Web3-Technologien praktikabler zu machen. Ethereum – die bisher vorherrschende Blockchain für dezentrale Anwendungen – kann maximal etwa 30 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten. Dieser Engpass hat die Transaktionsgebühren in die Höhe getrieben. Ein Großteil des Geldes, das in den letzten Monaten in neue Krypto-Unternehmen geflossen ist, wurde in die Infrastruktur investiert, die für den Aufbau und Betrieb von blockchainbasierten Anwendungen benötigt wird.

Doch diese Entwicklung ist schon seit Jahren in Arbeit. Ethereum wurde vor fast sieben Jahren eingeführt. Als Bitcoin 2018 zum ersten Mal boomte, fingen auch die ersten Web3-Entwicklern an, sich für Kryptowährungen zu interessieren. Nur etwa ein Fünftel davon ist jetzt noch aktiv in diesem Bereich tätig. Heute ist die Zahl der Entwickler fast doppelt so hoch, aber wie viele werden das Vertrauen behalten, wenn ein weiterer Krypto-Winter anbricht?

Die Verzögerungen wären vielleicht weniger schlimm, wenn klarer wäre, wofür Web3 eigentlich gedacht ist. Als Mitte der 1990er-Jahre das World Wide Web entstand, konnte man sich vorstellen, dass zum ersten Mal sämtliche Aktivitäten online stattfinden würden, vom Einkaufen bis zum Filme schauen. Und das war noch bevor überhaupt jemand von riesigen neuen Online-Märkten wie Suchmaschinen und sozialen Netzwerken geträumt hat.

Die Argumente für Web3 beruhen weniger auf dem „Was“ als auf dem „Wie“. Die Dezentralisierung selbst ist verlockend – eine Chance, viele der jetzigen Online-Aktivitäten neu zu gestalten.

Doch der Idealismus wird wahrscheinlich nicht lange anhalten, wenn Online-Nutzer keine konkreten Ergebnisse sehen, abgesehen von unkontrollierten Finanzspekulationen und Memes. Außerdem befindet sich das heutige Krypto-Vermögen in den Händen von relativ wenigen. Daher ist es fraglich, ob das Web3 das Vermögen wirklich gleichmäßiger verteilen wird.

Die finanziellen Bedingungen, die den Krypto-Boom ausgelöst haben, schwinden allmählich, da die Inflation und die Zinsen steigen. Eine ähnliche Situation hat auch zum Ende der Dotcom-Blase geführt und die meisten Start-ups in den Ruin getrieben, obwohl einige bahnbrechende Unternehmen wie Amazon, Yahoo und eBay überlebt haben. Bis jetzt ist schwer zu sagen, wer die Überlebenden des Web3 sein werden.

© The Financial Times Limited [2022]. Alle Rechte vorbehalten.

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