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24.01.2006 DER AKTIONÄR

Nebenwerte trumpfen auf!

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Einen regelrechten Blitzstart legte der am 25. Oktober 2005 von der Deutschen Börse ins Leben gerufene Entry Standard hin. Der Performance-Index sprintete in weniger als drei Monaten um über 37 Prozent auf 1.387 Punkte. DER AKTIONÄR sprach mit Professor Dr. Wolfgang Gerke von der Universität Erlangen-Nürnberg über Chancen und Risiken des neuen Segments.

DER AKTIONÄR: Am 25. Oktober 2005 hat die Deutsche Börse AG im Open Market den neuen Teilbereich "Entry Standard" mit zusätzlichen Transparenzanforderungen für die Unternehmen gestartet. Aus Ihrer Sicht ein richtiger Schritt, um für kleine Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Auf jeden Fall, ich halte das für einen wichtigen Schritt. Gerade mittelständische Unternehmen brauchen einen Zugang zur Börse, um Innovationen und Wachstum zu finanzieren oder auch um die Erbnachfolge zu erleichtern. In Deutschland haben wir, verglichen mit den zahlreichen Börsengängen in angelsächsischen Ländern, einen riesigen Nachholbedarf. Angesichts der vielen mittelständischen börsenreifen Unternehmen wird, was in den letzten vier Jahren an Börsenemissionen gelaufen ist, unserem Industriestandort nicht gerecht. Im letzten Jahr ist das Geschäft zum Glück wieder in Schwung gekommen und der Entry Standard ist nach M:access in München eine wichtige Initiative, um den Markt wieder zu beleben.

DER AKTIONÄR: Dennoch, gegenüber dem ehemaligen Neuen Markt zum Beispiel sind die Transparenzpflichten deutlich geringer. Besteht damit nicht die Gefahr, dass sich wieder eine gewisse "Abzockermentalität" breit macht?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Man kann so etwas nie total ausschließen, nur haben die Anleger mehr Vorsicht gelernt. Auch diejenigen, die die Unternehmen an die Börse bringen, üben hoffentlich mehr Sorgfalt. Es werden zahlreiche Unternehmen dabei sein, die hochriskant sind, die aber auch viele Chancen beinhalten. Anleger, die hier aktiv werden wollen, müssen schon Professionalität mitbringen. Es ist kein Segment für Anleger, die zum ersten mal Aktien kaufen.

DER AKTIONÄR: Wie beurteilen Sie die Qualität der Unternehmen hinsichtlich der Börsenreife?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Manche haben den Schritt noch nicht ganz mit vollzogen, dass der Börsengang auch bedeutet, die Spielregeln der Börse zu akzeptieren. Sie scheuen insbesondere die Transparenzspielregeln, die Kommunikationsnotwendigkeiten und die Mitspracherechte der anderen Aktionäre. Dieser "Herr-im-eigenen-Haus"-Standpunkt gilt an der Börse nicht mehr und dieser Umgewöhnungsprozess ist schmerzlich. Insbesondere der patronatsmäßig arbeitende Unternehmen tut sich mit neuen Gesellschaftern schwer. Das Akzeptieren der Regeln ist aber Grundvoraussetzung für den Gang an die Börse, sonst sollte man es lieber lassen.

DER AKTIONÄR: Viele Unternehmen haben sich nicht für ein klassisches IPO entschieden sondern nur ein Listing nach einer Privatplatzierung durchgeführt. Sehen Sie darin ein Problem, da dadurch zum Beispiel die Prospektpflicht umgangen wird?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Ich sehe ein sehr großes Problem im Verzicht auf Börsenprospekte und bedauere dieses Schlupfloch außerordentlich. Gegen eine Privatplatzierung, wenn sie privat bleibt, ist nichts einzuwenden. Verzichtet man aber auf einen Börsenprospekt und will hinterher dennoch frei handelbar sein widerspricht sich dies. Anleger können fehlgeleitet werden. Daher sollte ein Börsenprospekt zu jedem Börsengang dazugehören. Das habe ich auch bei der Einführung des Entry Standards eingefordert.


DER AKTIONÄR: Viele Experten sehen im Entry Standard eine optimale Plattform, um diese für kleine Beteiligung als Exit-Möglichkeit zu nutzen. Sind damit die Beteiligungsgesellschaften die eigentlichen Gewinner des neuen Segments?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Das wäre zu begrüßen, wenn sie die Gewinner sind. Denn dann würden die Beteiligungsgesellschaften mit dem zurückgewonnenen Geld ja wieder Unternehmen finanzieren, die im Vorstadium zur Börse stehen. Dieser Markt ist noch schwerer in seiner Funktionsfähigkeit zu fördern als Börsenmärkte. Daher halte ich es für wichtig, dass man Exit-Segmente für Venture-Capital- und andere Beteiligungsgesellschaften schafft. Das dient langfristig auch der Börse, da damit wieder neue Unternehmen börsenfähig werden. Ganz klar: M:access und Entry Standard sind wichtige Kanäle für Beteiligungsgesellschaften.

DER AKTIONÄR: Die geringen Platzierungsvolumina und die geringen Börsenumsätze im Entry Standard machen das Segment für Kursmanipulationen anfällig, sehen Sie darin ein Problem?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Kursmanipulationen sind glücklicherweise strafbar, was sie nie völlig ausschließt. Titel, die eine geringe Liquidität aufweisen, sind leichter zu manipulieren. Wir haben allmählich eine recht strenge Aufsicht, so dass der Kursmanipulierende auch erhebliche Risiken eingeht. Aber in diesem Segment ist die Gefahr natürlich größer als zum Beispiel im Dax 30.

DER AKTIONÄR: Wäre eine engere Kooperation zwischen dem Vorreiter M:acces der Börse München und dem Entry Standard der Deutschen Börse denkbar oder gar wünschenswert?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Die Münchner Börse hat mit M:access viel Innovationskraft bewiesen und eine Vorreiterrolle eingenommen. München ist außerdem ein begehrter Standort für Asset Management, Private Equitiy und innovative Unternehmen. Schade, dass sich die deutsche Börsenlandschaft immer noch nicht zu mehr Kooperation und Arbeitsteilung zusammengefunden hat.

DER AKTIONÄR: Was raten Sie Anlegern, die sich im Entry Standard engagieren wollen?

Prof. Dr. Wolfgang Gerke: Niemals zu große Teile des Vermögens in einzelne Titel anlegen, nur Teilbereiche gestreut in dieses Segment investieren und sich sehr sehr gut informieren. Man muss eine Bereitschaft zum Risiko mitbringen und auch die Fähigkeit, Risiko zu tragen. Sonst sollte man lieber in anderen Börsensegmenten investieren. Der Entry Standard ist mehr etwas für Profis.


DER AKTIONÄR: Herr Professor, vielen Dank für das Interview!

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