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11.07.2015 Thomas Bergmann

Deutsche-Bank-Chefstratege: "Ein Grexit wäre ein starkes Zeichen"

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Donnerstagnacht hat Griechenland eine Liste mit Reformvorschlägen präsentiert und damit die Hoffnung auf eine Einigung zwischen internationalen Geldgebern und Griechenland geschürt. Der DAX schoss daraufhin am Freitag um 400 Punkte auf knapp 11.400 Zähler nach oben. Doch mancher Experte warnt vor zu viel Euphorie: Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud hält die Gefahr eines Grexits auch bei einer Einigung mit den Geldgebern nicht für gebannt. "Sollte der politische Wille am Wochenende siegen, heißt dies noch nicht, dass ein Grexit vollkommen vom Tisch ist", sagt Traud. Die diskutierten Sparmaßnahmen reichten nicht aus, um Hellas dauerhaft auf einen Wachstumspfad zu bringen. Auch der DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater glaubt, dass ein neues Hilfsprogramm Griechenland nur einige Jahre Luft verschafft. DER AKTIONÄR sprach mit Dr. Ulrich Stephan über die Situation in Griechenland und mögliche Konsequenzen, sollte es doch zu einem Grexit kommen.

DER AKTIONÄR: Herr Dr. Stephan, könnte die Krise in Griechenland in einer humanitären Katastrophe enden?

DR. ULRICH STEPHAN: Ich mahne ein stückweit zur Ruhe. Griechenland ist ein reicheres Land als viele andere Länder in der Europäischen Union und selbst in der Europäischen Währungsunion. Insofern wird man sehen, wo geholfen werden muss. Wahrscheinlich wird man bei der medizinischen Versorgung mit Medikamenten einspringen. Auch hier hat die griechische Regierung sich in den letzten Monaten nicht angemessen verhalten, indem sie beispielsweise Rechnungen nicht bezahlt und Pharmaunternehmen Anleihen aufgezwungen hat, die diese dann abschreiben mussten.

DER AKTIONÄR: Wird der wichtige Wirtschaftszweig Tourismus unter der Unsicherheit leiden?
DR. ULRICH STEPHAN: Ich habe bisher noch nicht gehört, dass der Tourismus durch die Krise beeinträchtigt worden ist. In der Tat gab es erste Stornierungen, allerdings hatte Griechenland in den letzten beiden Jahren in diesem Sektor Rekordsteigerungen erzielt. Wenn es etwas runter geht, dann von hohem Niveau.

Meines Erachtens ist das eigentliche Problem der Lähmungszustand der griechischen Wirtschaft. Wenn Sie nicht wissen, ob es noch Euro gibt oder bald die Drachme, dann tun Sie auch nichts. Sollte endlich Klarheit herrschen, dann lässt sich mit der Situation besser umgehen und nach vorne schauen. Sehen Sie: Griechenland hatte im vierten Quartal 2014 ein Wachstum, und auch für das Jahr 2015 wurden ein Wachstum und ein Primärüberschuss prognostiziert. Aufgrund der Verhandlungen und der Unsicherheit hat man jedoch in Griechenland die Aktivitäten eingestellt, damit sind die Einnahmen weggebrochen. Das erfordert jetzt immensen Kapitalbedarf, da das BIP nicht wächst, sondern schrumpft. Das Problem muss schnell angegangen werden, denn es wird mit jedem Tag schlimmer.

DER AKTIONÄR: Angenommen, es kommt zum Grexit. Kann eine neue Währung wirklich helfen?

DR. ULRICH STEPHAN: Das kann schon sein. Wir haben natürlich dann die Situation, dass die in Euro notierten Schulden sehr teuer werden und ein Schuldenschnitt unausweichlich ist. Das ist aber auch allen klar. Aber man wird diesen Schuldenschnitt kaum in Euro machen können, weil man damit die Anstrengungen der Portugiesen oder Spanier ein Stück weit mit den Füßen tritt. Auf der Import-Seite müsste man schauen, wo die Preise steigen und wo man helfen muss. Auf der anderen Seite könnte endlich ein Kapitalstock aufgebaut und vielleicht wieder etwas exportiert werden – heutzutage produziert man dafür einfach zu wenig. Auf mittlere Sicht wäre das eine Chance für Griechenland, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen, weil dann die Exportprodukte relativ günstig sind.

DER AKTIONÄR: Wäre der Grexit der Anfang vom Ende des Euro?

DR. ULRICH STEPHAN: Nein. Ein Grexit würde zu einer Stärkung des Euro beitragen, weil wir aus meiner Sicht in einer Währungsunion zwei Möglichkeiten haben: Die eine ist, wir kommen zu einer tieferen wirtschaftlichen Integration in Europa. Hier ist die Frage, ob das gelingt, ob die Länder im Moment dazu bereit sind, Souveränitätsrechte tatsächlich abzugeben. Wenn das nicht der Fall ist, ist die zweite Möglichkeit, dass wir uns Regeln geben und auch daran halten. Was nicht geht, ist, dass jeder macht, was er will. Wenn Griechenland aus dem Euro austritt, wäre ein starkes Zeichen gesetzt, dass man sich besser an die Regeln hält.

DER AKTIONÄR: Vielen Dank für das Gespräch.

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