Monat für Monat zahlen wir einen beträchtlichen Teil unseres Lohns in die gesetzliche Rentenversicherung ein, arbeiten einen Tag pro Woche ausschließlich für die Vorsorge. Der Beitragssatz liegt derzeit bei 18,6 Prozent und hat maßgeblichen Anteil an den im internationalen Vergleich als hoch geltenden Steuer- und Sozialabgaben in Deutschland. Wir tun das in der Hoffnung – früher sprach man von Gewissheit –, im Alter etwas zurückzuerhalten. Nicht mehr arbeiten zu müssen, bestenfalls zu können, wenn wir es denn wollen.
Dieses System ist am Ende. Der demografische Wandel, veränderte Lebenswirklichkeiten und Erwerbskarrieren führen das Modell ad absurdum. Im Jahr 2020 musste der Bund erstmals mehr als 100 Milliarden Euro zuschießen, um das Rentensystem vor dem Kollaps zu bewahren. Der Staat tut sich schwer mit einer grundlegenden Reform und verhindert durch seine Passivität in dieser Angelegenheit, dass die jüngere Generation einen Nutzen in der gesetzlichen Rentenversicherung erkennt. Er tut sich schwer, weil es um Wählerstimmen geht. Mehr als jeder fünfte Deutsche ist Rentner. Er tut sich schwer, weil – wie einst bei der Reform der Arbeitslosenversicherung – negative Reaktionen der jeweiligen Parteibasis zu erwarten sind. Und so beschränkt er sich darauf, statt die Dinge grundlegend anzugehen, die Symptome abzumildern, etwa in Gestalt der Grundrente. Es wäre besser, die Regierung würde der Ursache des Übels auf den Grund gehen. Und der liegt im System selbst.
Ein interessanter Vorschlag hierzu kommt jetzt von der FDP: Ein Teil der Rente soll über den Aktienmarkt finanziert werden. Hierzu soll jeder Beitragszahler zwei Prozent seines Bruttoeinkommens in einen unabhängig verwalteten, vollständig aktienbasierten Fonds ansparen. Der Beitragssatz soll entsprechend um diese zwei Prozentpunkte sinken – ein Nullsummenspiel also und dennoch zum Vorteil der Versicherten?
Ja, denn der Aktienmarkt bietet weitaus höhere Renditen als andere Assetklassen. Er ist prädestiniert dafür, bei der Altersvorsorge eine wesentliche Rolle einzunehmen. Ob sie privat oder gesetzlich geregelt ist, ist dabei nachrangig. Das ist er, weil er seine volle Stärke über lange Zeiträume ausspielt. Bei der Rente geht es um diese langen Zeiträume.
Selbst beim eher trägen DAX haben Anleger in den vergangenen Jahrzehnten Renditen erwirtschaftet, die alles sind, nur nicht schlecht oder gar riskant. Auf Sicht eines Anlagezeitraums von 40 Jahren lag die Rendite im schlechtesten Fall bei 7,6 Prozent pro Jahr. Bei 35 Jahren waren es 6,6 Prozent. Bei 30 Jahren 6,8 Prozent. Der Aktienmarkt ist kein Casino, wie uns manche ideologisch vergiftet glauben lassen wollen. Sie erreichen damit allenfalls, dass ihre eigene Klientel, meist die weniger gut Betuchten, am stärksten darunter leidet, dass sie nicht die Möglichkeit hat, an den Kurssteigerungen und Dividendenausschüttungen zu partizipieren. Eine Aktienrente würde gerade diese von Altersarmut besonders bedrohten Bürgerinnen und Bürger schützen. Dienen, davon bin ich überzeugt, würde sie allen.
Weitere Themen im Heft:
Die Krypto-Bank
Der Hot-Stock der Woche steht an der Schnittstelle von Kryptomarkt und traditioneller Bankenwelt – und ist damit perfekt positioniert für die Zukunft. (S. 10)
Alles voll im Griff
Testen, testen und nochmals testen: Die Corona-Pandemie beschert Diagnostik-Spezialisten wie diesem Unternehmen eine Sonderkonjunktur. (S. 36)
Higher and higher
Die Reddit-Community hat auch bei den Cannabis-Aktien zugeschlagen. Kräftige Kursausschläge waren die Folge. (S. 38)
Star im Hintergrund
Die Holding InterActiveCorp hat sich auf die Übernahme von aussichtsreichen Online-Unternehmen mit Optimierungspotenzial spezialisiert. Eine Strategie, die sich über Jahre hinweg bewährt hat. (S. 44)
Unter Strom
Die IBU-tec-Aktie ist aus ihrer Lethargie erwacht und in einen Aufwärtstrend übergegangen. Die Aussichten für eine dynamische Trendfortsetzung könnten kaum besser sein. (S. 46)
Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 08/2021 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.