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04.05.2022 von Financial Times

ProSieben-Chef gegen Fusion mit RTL

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ProSiebenSat.1 Media

Von Alex Barker
Financial Times
Übersetzung: Laura Markus


Der Chef von ProSiebenSat.1, Rainer Beaujean, lehnte die Fusion der deutschen Top-Sender ab und setzt sich für eine unabhängige Zukunft seines Medienunternehmens ein. Er kritisierte die Konsolidierungswelle im europäischen Rundfunk. Sie führe entweder zu kommerziell unsinnigen internationalen Geschäften oder zu regulatorisch unmöglichen Fusionen innerhalb eines Landes.

„Die Werbeagenturen würden sich beschweren, die Kunden würden sich beschweren, es ist ein Alptraum“, sagte Beaujean über das langfristige Ziel von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, seinen RTL-Sender mit ProSieben zu einer deutschen Fernseh-Supermacht zu fusionieren.

„Ich ziehe eine Konsolidierung für uns nicht ernsthaft in Erwägung …  . . Man kann es natürlich versuchen. Aber Don Quijote hat nie gewonnen“, fügte er mit einer Anspielung auf den unangebrachten Idealismus von Cervantes’ fahrendem Ritter hinzu.

Da traditionelle Sender mit dem Strukturwandel und dem Aufkommen von Streaming zu kämpfen haben, ist ProSieben seit Jahren Gegenstand von Übernahmespekulationen zusammen mit ständig wechselnden strategischen Investoren.

MediaForEurope, das Unternehmen des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, hält einen Anteil von rund 25 Prozent an ProSieben, einschließlich Finanztitel – eine Investition, die es als Teil einer europaweiten Konsolidierungskampagne sieht.

ProSiebenSat.1 Media (WKN: PSM777)

Unterdessen haben sowohl die Private-Equity-Gruppe KKR, Mehrheitseigner von Axel Springer, als auch der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky seit der Pandemie große Anteile an ProSieben gekauft und verkauft.

Auf die Frage, ob ProSieben in fünf Jahren unabhängig sein werde, sagte Beaujean: „Ja. Niemand hat die Möglichkeit und [die Fähigkeit], uns zu übernehmen“, erklärte er und bezog sich dabei auf die regulatorischen Hürden für eine Genehmigung.

„Wir sind so wichtig für den deutschen Markt. Das System funktioniert gut. Man darf etwas so wichtiges nicht zerstören.“

Beaujean erklärte zwar, dass er für formelle Übernahmeangebote offen sei, ist aber von den Plänen seiner beiden Hauptinteressenten nicht überzeugt: Italiens MFE und Bertelsmann.

In Bezug auf MFE erklärte er, er sei immer offen für „kluge Ideen“, aber Berlusconis Firmengruppe sei noch nicht auf ihn zugekommen, um die Vorteile einer internationalen Konsolidierung zu diskutieren.

Bertelsmann hat die Konsolidierung der europäischen Rundfunkanstalten in den einzelnen Ländern vorangetrieben, angefangen bei den Niederlanden und Frankreich. Es hängt viel davon ab, ob die Fusion des französischen TV-Geschäfts von Bertelsmann (M6) mit dem größeren einheimischen Konkurrenten TF1 in Frankreich wettbewerbsrechtlich genehmigt wird.

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Selbst wenn sie genehmigt würde, wäre der Vorschlag von Rabe, ProSieben mit RTL zusammenzulegen, laut Beaujean unrealistisch, da das Unternehmen dann mehr als 70 Prozent der deutschen Fernsehwerbung kontrollieren würde.

„Das wird nicht genehmigt“, sagte er und verwies darauf, dass die jüngsten wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen in Deutschland auf der Grundlage des begrenzten Fernsehmarktes und nicht anhand einer breiteren Definition von Werbung getroffen worden seien.

Beaujean scherzte daraufhin: „Wenn RTL ohne unsere Hilfe so klein wird, wie Thomas [Rabe] denkt …, . dann wäre natürlich [eine Fusion] möglich. Aber wir wollen wachsen.“

ProSieben bietet ein breites Spektrum an Medieninhalten, darunter mehr als ein Dutzend Free-TV-Sender, Streaming-Plattformen wie Joyn, Filmstudios, Dating-Websites und mehrere ausgefallene Geschäftsideen, zum Beispiel Investitionen durch Werbung-gegen-Beteiligung-Deals.

Der Umsatz der Unternehmensgruppe stieg im vergangenen Jahr bis Dezember um elf Prozent auf 4,5 Milliarden Euro. Dabei entfielen zwei Drittel des Umsatzes auf den Unterhaltungsbereich. Wie bei vielen traditionellen Fernsehsendern ist auch die ProSieben-Aktie seit ihrem Höchststand im Jahr 2015 um rund 75 Prozent gesunken.

Wie auch der britische Fernsehsender ITV ist die ProSieben-Aktie in den letzten zwölf Monaten um 40 Prozent gefallen. Grund dafür ist die Unsicherheit in Bezug auf die Werbung und die Zukunftsfähigkeit des Fernsehmodells.

RTL Group (WKN: 861149)

Beaujean, der seit 2019 Chef bei ProSieben ist, strebt mittelfristig ein jährliches Umsatzwachstum von vier bis fünf Prozent an. Er beschreibt seine Strategie als einen „Best of both worlds“-Ansatz, der eine zukunftsorientierte digitale Strategie mit einem lukrativen werbefinanzierten Fernsehgeschäft kombiniert.

Er will immer noch die Dating-Sparte von ProSieben, ParshipMeet, an die Börse bringen, die sich zum Teil im Besitz der US-Private-Equity-Gruppe General Atlantic befindet. Der Termin wurde jedoch aufgrund der Unsicherheiten am Markt verschoben. „Wir sind bereit, wann immer der Markt offen für uns ist“, sagte er und fügte hinzu, dass dies bis 2023 dauern könnte.

Beaujean erwartet, dass das Vertrauen der Investoren in den deutschen Sender zurückkehren wird, da sein Free-TV-Modell im Vergleich zur Abo-Müdigkeit bei Streaming-Anbietern wie Netflix brilliert.

„Durch Corona haben wir gesehen, wie robust und stark das Geschäftsmodell des Fernsehens ist, [besonders] wenn man bedenkt, wie sehr Netflix [und andere Streaming-Anbieter] zu kämpfen haben“, sagte er. „Es geht nicht nur darum, wie viel Geld man ausgibt.“

„Wenn die Leute wieder auf Cashflow, Nachhaltigkeit und Renditen schauen – alles Merkmale, die mir in die Wiege gelegt wurden und die ich gut umsetzen kann –, dann wird das Vertrauen automatisch wieder steigen“, fügte er hinzu. „Es wird klassische Wertjäger geben.“

Im Gegensatz zu einigen deutschen Konkurrenten wie RTL hat ProSieben nicht in teure Dramen investiert und seine Inhalte offen über digitale Plattformen verbreitet. „Ich biete meine Inhalte [auf allen Plattformen] an, die mich dafür bezahlen“, sagte er. „Warum auch nicht?“

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