Die Europäische Zentralbank (EZB) drosselt trotz der hartnäckig hohen Inflation das Tempo ihrer Zinserhöhungen. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag eine Anhebung der Leitzinsen um 25 Basispunkte, nachdem es zuvor drei Mal im Folge um 50 nach oben gegangen war. An den europäischen Börsen will trotzdem keine Euphorie aufkommen.
Zugleich stellte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der siebten Zinserhöhung seit Juli 2022 klar: "Wir pausieren nicht." Alle Mitglieder des obersten Entscheidungsgremiums der Notenbank seien entschlossen, die hohe Teuerung zu bekämpfen, sagte Lagarde in Frankfurt. "Wir wissen, dass wir noch Boden gutzumachen haben."
"Im Euroraum gibt es noch einen oder zwei weitere Schritte, dann ist erstmal Pause", schätzte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Erst gegen Jahresende werde sich zeigen, ob es mit den Zinsen weiter nach oben gehen werde: "Dann ist es besser einschätzbar, ob das Zinsmedikament gegen die hohe Inflation anschlägt."
Die Zinserhöhungen der EZB dürften noch nicht beendet sein, "denn die Preise im Euroraum sind nach wie vor zu hoch", mahnte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Heiner Herkenhoff. "Je länger die Inflation auf diesem Niveau bleibt, desto einschneidender sind die Belastungen für Bürger, Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung."
Die erneute Zinserhöhung sei "der richtige, wenn auch für viele Unternehmen ein schwieriger Schritt", kommentierte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. "Denn nur wenn die Inflation stabil auf niedrigem Niveau ist, kann auch die Wirtschaft in der Breite wieder investieren."
Zugleich bemüht sich die EZB um eine weitere Normalisierung ihrer Geldpolitik: Von Juli sollen Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des allgemeinen Kaufprogramms APP nicht mehr in den Erwerb neuer Anleihen gesteckt werden. Den Kauf frischer Wertpapiere im Rahmen des Programms hatte die EZB bereits zum 1. Juli 2022 eingestellt.
Bis die Bestände aus dem Kaufprogramm vollständig abgebaut sind, dürfte es Lagarde zufolge 12 bis 15 Jahre dauern. Staaten wie Unternehmen müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.
Die EZB hat anders als die US-Notenbank sehr spät auf die Inflationsgefahren reagiert und muss nun schauen, wie sie die Teuerung wieder auf 2,0 Prozent bekommt, ohne der Wirtschaft zu sehr zu schaden. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, wie stabil sich der deutsche Leitindex hält. Kann er sich die nächsten Wochen über 15.500 halten, sind in der zweiten Jahreshälfte neue Höchststände durchaus möglich.