Nachdem sich der Pulverrauch über dem Irak langsam, aber sicher verzogen hat, wird auch an der Börse eine erste Bilanz gezogen. Die von vielen herbeigesehnte Rallye nach einem schnellen Sieg der Amerikaner und ihrer Alliierten ist weitestgehend ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: Gerade an der New Yorker Wall Street, dem immer noch wichtigsten Börsenplatz der Welt, schlug sich die Erleichterung über das frühe Kriegsende vor allem in Kursverlusten nieder.
Einer der wichtigsten Gründe für das Ausbleiben der Hausse dürfte die Tatsache sein, dass sich an den wirtschaftlichen Fundamentaldaten nichts geändert hat. Und die sehen vor allem in den USA alles andere als rosig aus: Die zusätzlichen Ausgaben von rund 78 Milliarden Dollar für den Krieg werden den Vereinigten Staaten allein in diesem Jahr ein Defizit im Staatshaushalt von etwa 361 Milliarden Dollar bescheren. Auch die Leistungsbilanz der Amerikaner lässt sich nicht schönreden. Der Trend, dass die USA mehr Waren einführen, als sie exportieren, hält unvermindert an. Mit dem Resultat, dass die Leistungsbilanz der USA in diesem Jahr ein Rekorddefizit von ungefähr 500 Milliarden Dollar ausweisen wird. Da die US-Wirtschaft in erster Linie auf Konsum basiert, wirkt die zunehmende Verschuldung der Privathaushalte zudem wie eine tickende Zeitbombe.
Gute Gründe, die dafür sprechen, dass Europa sich in Zukunft stärker darum bemühen sollte, sich von den Entwicklungen in den USA abzukoppeln und ein Eigenleben zu führen. Wie stark die Abhängigkeit derzeit noch ist, wird ja immer wieder beim Blick auf die Börse deutlich. Fallen in den USA die maßgeblichen Börsenbarometer Dow Jones und Nasdaq, gehen die europäischen Börsen mit auf Tauchstation.
Dies ist umso weniger zu verstehen, als die europäischen Aktien in der Vergangenheit weit tiefer gefallen sind als die US-Titel. Zudem werden vor allem die US-Blue-Chips im Gegensatz zu ihren europäischen Pendants von vielen Experten immer noch als überbewertet angesehen.
Bernd Förtsch