Buchautor und Krypto-Experte Aaron Koenig erklärt in seinem neuen Buch, wie Sie Ihr Vermögen „Krisenfest“ machen. DER AKTIONÄR hat vorab mit ihm gesprochen.
Die Coronakrise offenbart Probleme, die längst da sind – und zum Crash des Finanzsystems führen könnten. Für Aaron Koenig ist das jedoch kein Grund zum Schwarzsehen, sondern eine Chance auf einen Neuanfang.
DER AKTIONÄR: Zu Beginn Ihres Buchs „Krisenfest“ zeichnen Sie ein düsteres Bild vom drohenden Kollaps des derzeitigen Finanzsystems. Lässt sich der Crash noch verhindern oder ist er sogar nötig, um neue Strukturen zu schaffen?
Aaron Koenig: Ich finde das Bild gar nicht so düster, denn das gegenwärtige Finanzsystem ist ungerecht und schädlich. Wir müssen unsere Energie gar nicht darauf verschwenden, gegen alte Strukturen zu kämpfen, denn die werden – wie es aussieht – von selbst zusammenbrechen. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, etwas Neues aufzubauen – was in den letzten Jahren ja auch schon passiert ist, mit Bitcoin und der Blockchain-Technologie. Natürlich: Die Leute, die noch auf das alte System vertrauen, werden es wahrscheinlich schwer haben. Aber man hat heute ja viele Möglichkeiten, um sein Geld in Sicherheit zu bringen, zum Beispiel, indem man es in Kryptowährungen investiert, auf die der Staat keinen Zugriff hat. Und dann finde ich den Zusammenbruch des auf einem Staatsmonopol basierenden Finanzsystems durchaus positiv. Im Grunde ist meine Zukunftsperspektive also eine sehr positive. Aber wir müssen wohl erst einmal durch die Krise durch, damit hinterher etwas Gutes daraus wachsen kann. Das ist die Kernaussage des Buches.
Verfechter bezeichnen den Bitcoin gerne als „digitales Gold“. Teilen Sie diese Einschätzung?
Dieser Vergleich überrascht viele erst einmal, weil man auf den ersten Blick keine Ähnlichkeit erkennt. Aber wenn man sich die Eigenschaften genauer ansieht, warum Gold über Jahrtausende immer als Geld gedient hat – also vor allem seine Knappheit, seine Teilbarkeit, und die Tatsache, dass man es nur sehr schwer fälschen kann –, dann erkennt man: Genau diese Eigenschaften hat der Bitcoin auch – nicht von Natur aus, sondern weil seine Software so programmiert wurde. Ich glaube, dass Satoshi Nakamoto, der Erfinder von Bitcoin, ein echter Goldbug war und seinem Projekt bewusst die gleichen Eigenschaften wie Gold gegeben hat. Bitcoin glänzen zwar nicht so schön und man kann keinen Schmuck daraus machen, dafür kann man sie weltweit über das Internet verschicken.
„Das gegenwärtige Finanzsystem ist ungerecht und schädlich.“
In Ihrem Buch verweisen Sie in diesem Zusammenhang auch auf das „Stock-to-Flow“-Modell. Laut diesen Berechnungen könnte der Bitcoin-Kurs bis 2022 auf 100.000 Dollar steigen. Stehen wir also vor einer enormen Rallye?
Gold ist ja bekannt für seine sehr hohe „Stock-to-Flow“-Ratio von ca. 65 – viel höher als jeder andere Vermögenswert. Weil sich beim Bitcoin die Menge der neu hinzukommenden Einheiten etwa alle vier Jahre halbiert, ist dessen Stock-to-Flow-Ratio schon fast auf dem Niveau von Gold und wird nach der nächsten Halbierung bereits deutlich höher liegen. Der Bitcoin wird dann das knappste Gut der Welt sein. Solche „Halvings“ haben wir bereits zweimal erlebt, 2012 und 2016. Dabei ist erst einmal nicht viel passiert, weil es ja erwartet und eingepreist wurde. Erst ein paar Monate später haben wir dann diese Wahnsinnsrallyes gesehen – von 100 auf 1.000 Dollar in 2013 und von 1.000 auf 20.000 Dollar in 2017. Natürlich gibt es keine Garantie, dass sich diese Entwicklung genauso wiederholt, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr hoch. Wenn sich das Angebot verknappt und die Nachfrage weiter so steigt, würde es mich überhaupt nicht überraschen, wenn der Kurs in ein paar Monaten in ungeahnte Höhen schießt.
Institutionelle Investoren interessieren sich zunehmend für den Bitcoin. Besteht dadurch das Risiko, dass er zu stark institutionalisiert wird?
Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn große Fonds oder die Family Offices der Superreichen jetzt auch in Bitcoin investieren. Es ist nur verständlich, dass auch sie ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Sie werden dadurch aber nicht die Natur des Bitcoin verändern.
Bedrohlich wäre es, wenn sie auf die Pseudo-Kryptowährungen hereinfallen würden, die jetzt von den Zentralbanken entwickelt werden. Denn dabei geht genau das verloren, was den Bitcoin ausmacht, nämlich, dass es keine zentrale Kontrolle gibt. Dann wüsste der Staat über jede unserer Finanzbewegungen Bescheid – ein Horrorszenario! Daher ist es wichtig, die Menschen über die Unterschiede zwischen Bitcoin, Libra oder einem Zentralbank-Shitcoin zu informieren.
Der Bilanzskandal bei Wirecard schlägt aktuell hohe Wellen. Ließe sich so etwas mit einem Krypto- beziehungsweise Blockchain-basierten Verrechnungssystem verhindern?
Auf jeden Fall, denn genau das ist das Problem des herkömmlichen Finanzsystems: Man muss Dritten vertrauen, die man nicht kennt. Daher ist das Finanzsystem ja so stark reguliert, was bei Bitcoin gar nicht nötig ist. Aber man sieht immer wieder, dass diese Kontrolle nicht funktioniert. Wirecard ist da nur die Spitze des Eisbergs und kein Einzelfall. Das ganze Teilreservesystem ist ja genau genommen auf Betrug aufgebaut. Ursprünglich war Papiergeld nur eine Quittung für echtes Geld, aber die Banken haben viel mehr von diesen Quittungen herausgegeben, als sie Gold im Tresor hatten. Ein System, das zu echtem, knappen Geld zurückkehrt – ob Gold oder in digitaler Form –, hat diese Mängel nicht und ist bei vollständiger Dezentralisierung sehr viel sicherer als das, was wir heute haben.
Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 31/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.