Nach einer verlängerten Atempause durch die Osterfeiertage steht dem deutschen Aktienmarkt eine Fortsetzung seines Drahtseilakts bevor. Kann der DAX seinen Erholungskurs beibehalten und noch mehr Abstand von seinem Tief Mitte März gewinnen? Der Start in die neue Woche stimmt zumindest zuversichtlich – trotz durchwachsener Vorgaben aus den USA.
Je mehr Konjunkturpakete aufgelegt werden und je besser sich die Zahlen bei den Neuinfektionen mit Covid-19 entwickeln, umso häufiger und weiter wagen sich Anleger wieder aus der Deckung. Allein in der zurückliegenden Woche hat der DAX wieder rund zehn Prozent dazugewonnen, seit dem Tiefpunkt Mitte März ging es sogar um fast 30 Prozent nach oben.
Das Problem: Die offizielle Quittung des weltweiten Lockdowns kommt erst noch. Wie stark sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie genau auf die Wirtschaft ausgewirkt haben, ist noch immer nicht klar zu beziffern.
Während Deutschland noch einer geeignete Exit-Strategie sucht, haben sich einige Länder bereits vorsichtig an eine Lockerung ihrer Maßnahmen gewagt. Vor diesem Hintergrund sehen einige Experten schon jetzt wieder Licht am Ende des Tunnels.
Andere Strategen werden dagegen nicht müde zu betonen, dass es sich hierbei um eine Bärenmarktrallye handeln dürfte, in der auf einen starken Absturz zwischenzeitlich deutliche Erholungsbewegungen folgen, bevor es zu weiteren Kurseinbrüche kommt.
In den kommenden Tagen werden Daten aus der Konjunktur über Wohl und Wehe am Aktienmarkt entscheiden. Am Mittwoch wird sich etwa zeigen, wie stark die Industrieproduktion und der Einzelhandel in den USA bereits unter der Pandemie gelitten hat. Hier erwarten Experten für den Monat März vor allem im Industrie-Output ein dickes Minus, und zwar im Verarbeitenden Gewerbe, bei der Energieversorgung und im Bergbau.
Schwieriger ist dagegen die Lage im Einzelhandel einzuschätzen - denn nicht alle Unternehmen sind gleichsam stark von der Krise betroffen. Einige profitieren sogar von ihr, zum Beispiel der Lebensmittelhandel und Drogerien. Unter dem Strich dürfte aber auch hier ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen sein, genauso wie im US-Bausektor, Aktuelle Zahlen zu Baubeginnen und -genehmigungen werden am Donnerstag veröffentlicht. Zum Ende der Woche dürften dann vor allem das chinesische Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal großes Interesse auf sich ziehen.
Die US-Aktienmärkte sind am Montag nach dem Osterwochenende mit Verlusten in den Handel zurück gekehrt. Dominiert wurde die Nachrichtenlage weiter von der Corona-Pandemie und dem Ölpreis, nachdem sich wichtige Förderländer auf eine beispiellose Drosselung der Produktion geeinigt hatten.
In der Viruskrise bleibt es bei den alarmierend hohen Infektionszahlen in den USA. Bei knapp 560.000 nachgewiesenen Infektionen sind dort bereits mehr als 22.000 Menschen an den Folgen gestorben. Die Zahl der Todesfälle innerhalb eines Tages sank mit 1557 aber auf den niedrigsten Stand seit vergangenem Montag. Wegen der Auswirkungen des Coronavirus blickten die Anleger auch bereits sorgenvoll auf die Saison der Unternehmensberichte, die im Wochenverlauf im Bankensektor beginnt.
Der Dow Jones gab am Ende um 1,39 Prozent auf 23.390,77 Punkte nach, konnte sein Minus von zeitweise mehr als zwei Prozent dabei aber reduzieren. Nach dem Anstieg um mehr als zwölf Prozent in der Vorwoche kämen Gewinnmitnahmen nicht überraschend, hieß es am Markt. Ein Börsianer sagte, wegen hoher Ungewissheit steuerten die Finanzmarktteilnehmer "im Blindflug" auf die bevorstehende Berichtssaison zu.
An der technologielastigen Nasdaq-Börse wurde die Stimmung von Kursgewinnen bei Aktien wie Netflix und Amazon aufgehellt. Die beiden Aktien, die neuerdings von Anlegern als Profiteure der Corona-Krise gehandelt werden, knüpften mit Anstiegen von 7,0 beziehungsweise 6,2 Prozent an ihre jüngste Rally an. Beide nehmen allmählich wieder Anlauf auf bisherige Höchststände. Der Nasdaq 100 legte um 1,14 Prozent auf 8332,74 Punkte zu.
Die Coronakrise hinterlässt tiefe Spuren. Doch es bleibt dabei: Stabilisieren sich die gemeldeten Neuinfektionen weiter, wächst auch die Erkenntnis, dass das Virus beherrschbar ist. Genauere Schätzungen zum Ausmaß der Pandemie wären möglich. Diese Prognosen und Kennzahlen sind wichtig für die Börse. Ein Ende dieser wirtschaftlichen Ungewissheit dürfte die Basis für eine Fortsetzung der Erholung werden. Der DAX startet daher auch fester in die neue Handelswoche – und könnte im Idelafall weiter Kurs auf die psychologisch wichtige 11.000-Punkte-Marke nehmen. Bei aller Euphorie sind dabei aber auch scharfe Rücksetzer jederzeit möglich.
(Mit Material von dpa-AFX)