Die ProSiebenSat.1-Aktie hat am Donnerstag kräftig zugelegt und die Marke von 8 Euro zurückerobert. Hintergrund ist die Meldung, dass der italienische Medienkonzern Media for Europe (MFE) – kontrolliert von der Familie Berlusconi – nun über 75 Prozent der Stimmrechte am Münchener TV-Konzern hält. Anleger hoffen auf frischen Rückenwind und eine europäische Medienallianz, die den US-Streaming-Giganten Paroli bieten könnte.
Die von Pier Silvio Berlusconi geführte Media-for-Europe-Holding hat nach eigenen Angaben 75,61 Prozent der Stimmrechte an ProSiebenSat.1 übernommen. Möglich wurde dies durch Zukäufe in der jüngsten Nachfrist, unter anderem durch die Übernahme des 15,7-Prozent-Pakets des tschechischen Investors PPF. Damit kontrolliert MFE nun nicht nur die Mehrheit, sondern auch die strategische Ausrichtung des deutschen Medienhauses.
MFE verfolgt ehrgeizige Pläne: Ziel ist ein gesamteuropäisches Sendernetzwerk, das sowohl im klassischen TV als auch im Streaming konkurrenzfähig gegenüber Netflix, Amazon Prime Video & Co. auftreten soll. Durch gemeinsame Programmstrategien und Synergien zwischen den Standorten in Italien, Spanien und Deutschland verspricht sich die Holding deutliche Kostenvorteile.
Kursfantasie an der Börse
Die Börse reagierte prompt: Am Donnerstag kletterte die ProSiebenSat.1-Aktie deutlich und schloss wieder über der psychologisch wichtigen Marke von 8 Euro. Nächstes charttechnisches Ziel ist nun das 52-Wochen-Hoch bei 8,53 Euro. Sollte dieser Widerstand überwunden werden, wäre der Weg in Richtung 8,80 bis 9,00 Euro frei.
Kurzfristig dürfte die starke Nachfrage nach Aktien, ausgelöst durch die Übernahme, stützend wirken. Zugleich spekulieren Investoren auf eine bessere strategische Positionierung von ProSiebenSat.1 im europäischen Wettbewerb.
Chancen und Risiken
Während Anleger die neue Mehrheit von MFE als Signal für Stabilität werten, gibt es auch kritische Stimmen. ProSiebenSat.1 kämpft seit Jahren mit sinkenden Werbeerlösen, hohen Investitionen im Streaming-Geschäft und einem deutlichen Schuldenberg. Synergien in Millionenhöhe, die MFE in Aussicht stellt, gelten Experten zufolge als ambitioniert.
Auch politisch wird die Übernahme aufmerksam verfolgt. Medienstaatsminister Wolfram Weimer betonte nach einem Treffen mit Pier Silvio Berlusconi die Bedeutung redaktioneller Unabhängigkeit. Eine stärkere Fokussierung auf das deutsche Publikum mit Nachrichten, Unterhaltung und Eigenproduktionen klingt vielversprechend – ob die Umsetzung gelingt, bleibt jedoch abzuwarten.
Die Übernahme durch MFE verschafft ProSiebenSat.1 kurzfristig Rückenwind. Anleger setzen auf Kursfantasie durch die italienische Mehrheit und die Vision eines europäischen Medienverbunds. Mittel- bis langfristig bleiben jedoch die strukturellen Herausforderungen bestehen – vom schwächelnden Werbemarkt bis zur starken Konkurrenz internationaler Streamingdienste.
Die Aktie dürfte vorerst stabilisiert sein, doch ob die neue Konstellation nachhaltigen Erfolg bringt, ist offen. ProSiebenSat.1 ist keine laufende Empfehlung von DER AKTIONÄR.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: ProSiebenSat.1 Media.
Enthält Material von dpa-AFX