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08.04.2022 von Financial Times

Elon Musk: Die neue Macht bei Twitter

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Twitter

Von Richard Waters und Hannah Murphy
Financial Times
Übersetzung: Laura Markus


Tech-Milliardäre haben auch früher schon ihr Vermögen dazu genutzt, um sich im Nachrichtengeschäft einen Namen zu machen. Zu ihnen gehören Amazon-Chef Jeff Bezos, der Besitzer der Washington Post, und Marc Benioff von Salesforce, der 2018 zusammen mit seiner Frau das Nachrichtenmagazin Time übernommen hat.

Doch niemand kann Elon Musk das Wasser reichen. Der CEO von Tesla und SpaceX, der lange eine der lautesten Stimmen auf Twitter war, wurde diese Woche zum größten Anteilseigner und neuesten Vorstandsmitglied des sozialen Netzwerks. Damit hat er bei einem der weltweit bekanntesten Nachrichtendienste eine einflussreiche Position eingenommen.

Obwohl Twitter eher eine Tech-Plattform als ein redaktionelles Produkt ist, wird Musk durch seine einzigartige Position wahrscheinlich einen ähnlichen Einfluss haben wie ein klassischer „Pressechef – ob auf Papier oder online“, so Jeff Jarvis, Journalismus-Professor an der City University of New York.

Musks Eingriff in die neuen Medien bringt noch eine weitere Besonderheit mit sich: Mit 80,6 Millionen Followern ist er ein wichtiger Teil des Mechanismus geworden, der die Interaktion auf Twitter fördert. Diese Interaktion ist entscheidend dafür, wie sich das Unternehmen an der Wall Street macht. Im Gegenzug hat er seine Rolle als bekanntester Business-Rockstar der Website genutzt, um persönliche Rachefeldzüge zu führen, um für seine Unternehmen und Tech-Ideen zu werben und – je weiter sich seine Geschäftsinteressen ausgedehnt haben – um eine zunehmend politische Agenda zu verfolgen.

Foto: Patrick Pleul/Pool via Reuters

Twitter und Musk verbindet daher das Streben nach Interaktion. Laut Finanzanalysten und Social-Media-Experten, die das Unternehmen beobachten, ist es fraglich, ob sich dies langfristig positiv auf die Kommunikationskultur oder das Vermögen der Aktionäre auswirken wird. „Ehrlich gesagt könnte es so oder so ausgehen“, sagte Youssef Squali, Analyst bei Truist Securities.

Der Kurs der Twitter-Aktie ist seit der Bekanntgabe von Musks Beteiligung von 9,2 Prozent am Montag um 30 Prozent gestiegen. Das deutet darauf hin, dass man sich von Musks Einfluss einen Fortschritt in Bezug auf einige der Probleme erhofft, die die Social-Media-Website immer wieder behindern. Dazu gehören die langsame Produktentwicklung und die Unfähigkeit, ein viel größeres weltweites Publikum zu erreichen.

Musks technologische Fähigkeiten und sein gutes „Gespür“ für Produkte – zusammen mit der Dynamik, die seine Unternehmen auszeichnet – könnten ihn zu einem Katalysator für Veränderungen machen, so Jefferies-Analyst Brent Thill.

Es gibt bereits ein Anzeichen dafür, dass Musk jetzt schon Einfluss hat. Twitter gab am Dienstag bekannt, dass es bald einen „Bearbeiten“-Button testen wird, mit dem Nutzer ihre Tweets nachträglich ändern können. Etwas, für das sich Musk eingesetzt hat, obwohl das Unternehmen sagte, die Idee sei schon länger in Planung gewesen.

Ehemaligen Twitter-Mitarbeitern zufolge konnte man sich bei diesem Thema, das sowohl aus technischen als auch aus ethischen Gründen sehr umstritten war, auch nach jahrelangen internen Auseinandersetzungen nicht abschließend einigen. Bildlich gesprochen marschierte Musk mitten ins Büro und sagte: „Hier habt ihr das, was euch am meisten aufregen wird“, so ein früherer Mitarbeiter.

Musks Aufdringlichkeit dürfte für den kürzlich ernannten Twitter-Chef Parag Agrawal eine weitere Herausforderung darstellen. Er steht bereits unter der strengen Beobachtung des aktivistischen Investors Elliott Management. Ein weiterer mächtiger Investor, Egon Durban von Silver Lake, trat dem Vorstand bei, nachdem er vor zwei Jahren eine Milliarde Dollar investiert hatte.

Persönliche Beziehungen könnten hier die Wogen glätten. Musk arbeitete eng mit Durban von Silver Lake zusammen, als er den Tesla-Buyout plante, und war bis vor drei Wochen Vorstandsmitglied von Endeavor, einem anderen Unternehmen, das von Durban unterstützt wird. Er trat aus dem Endeavor-Vorstand aus, um sich für andere, nicht näher erläuterte Verpflichtungen freizumachen – ein Hinweis darauf, dass er sich vielleicht schon mit Twitter im Gespräch über eine Mitgliedschaft im Vorstand befand.

Twitter (WKN: A1W6XZ)

Musk hat jedoch immer eine Tugend daraus gemacht, dass er in jedem Unternehmen, an dem er beteiligt ist, als sehr störend empfunden wird. Und er vertritt entschieden einige technokratische Ansichten, die ihm viel Kritik eingebracht haben. Ein Twitter-Mitarbeiter beschreibt die heftige Reaktion, die der Milliardär hervorruft, mit den Worten: „Er ist ein Verrückter. Wir wollen ihn hier nicht.“

Der CEO von Tesla und SpaceX ist für eine lange Liste an Twitter-Kontroversen verantwortlich. „Die Art und Weise, wie er [Twitter] genutzt hat, hat ihm Ärger mit der Regierung eingebracht. Er hat es benutzt, um Journalisten anzugreifen“, erklärte Jarvis.

Zu den Folgen von Musks unüberlegtesten Tweets gehört unter anderem ein Vergleich mit den Aufsichtsbehörden, der dazu führte, dass er den Vorstandsvorsitz von Tesla aufgab. Außerdem kam es zu einem aufsehenerregenden Verleumdungsprozess, bei dem es darum ging, ob er jemanden der Pädophilie beschuldigt hatte (Musk gewann den Prozess).

Er hat Twitter auch für seine politische Agenda genutzt. So hat er unter anderem Aufsichtsbehörden und Regierungen kritisiert, vor allem die US-Börsenaufsichtsbehörde. Als der US-Bundesstaat Kalifornien darauf bestand, dass Tesla aufgrund von Corona ein Werk schließt, bezeichnete das Musk auf Twitter als „faschistisch“. Als jedoch Ende letzten Monats das Tesla-Werk in Schanghai wegen ähnlicher Umstände geschlossen wurde, blieb Musk auffallend still.

Foto: Shutterstock

Traditionelle Nachrichtenagenturen haben seit langem klare Regeln zur Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit, so Anupam Chander, Professor für globale Internetregulierung an der Georgetown University. Im Gegensatz dazu kann man nicht feststellen, ob „Elon Musk oder ein anderer Milliardär auf unfaire Weise versucht, die derzeit größten Kommunikations-Plattformen zu kontrollieren“.

Musk hat Twitter dazu gedrängt, seine Richtlinien zur Inhaltsmoderation zu lockern und Beschränkungen aufzuheben, die festlegen, was man auf Twitter sagen darf. Dadurch soll das soziale Netzwerk zur „freien Meinungsäußerung“ zurückkehren, die es in seiner Anfangszeit gab. Musk könnte dadurch mit dem CEO von Twitter in Konflikt geraten. Dieser hat erklärt, dass die zentrale Frage für den Social-Media-Konzern nicht die Redefreiheit, sondern die Schaffung einer „gesünderen öffentlichen Konversation“ ist, die bestimmt, „wer gehört wird“.

Musks Position als Vorstandsmitglied, größter Aktionär und lauteste Stimme bei Twitter könnte nach Ansicht vieler Beobachter das Unternehmen dazu bewegen, seine Inhaltsrichtlinien zu lockern.

Laut Professor Chander könnte das auch bedeuten, dass Twitter das lebenslange Verbot für Donald Trump rückgängig macht. Das wäre durchaus denkbar, da bei Twitter nun jemand im Vorstand sitzt, der „das liberale Denken, das im Internet allgegenwärtig ist, befürwortet“.

Solche Änderungen der Richtlinien könnten eine Kontroverse auslösen, die die Interaktion kurzfristig steigert. Dabei könnten aber auch die Fortschritte im Kampf gegen Mobbing und die Verbreitung von Falschinformationen wieder zunichtegemacht werden, was der Plattform letztendlich schaden würde, so Jarvis.

Es könnte dem Unternehmen aber auch schaden, wenn es die freie Meinungsäußerung absolut setzt, meinen Analysten wie Brian Wieser, Global President of Business Intelligence beim Werbekonzern GroupM. „Große Werbekunden mögen kein toxisches Umfeld“.

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