Ein Minus von rund acht Prozent – an einem einzigen Tag. Die Aktie der Google-Mutter Alphabet wurde am gestrigen Mittwoch brutal abverkauft, ein Weckruf für Anleger weltweit. Und doch zeigt ein genauerer Blick, dass der Kursrutsch weit mehr reflektiert als nur den potenziellen Wegfall eines profitablen Suchmaschinen-Deals.
Es war ein Satz, gesprochen im nüchternen Licht eines Gerichtssaals – und doch hallte er wie ein Donnerschlag durch die Märkte: „Vielleicht braucht man in zehn Jahren kein iPhone mehr“, soll Apple-Manager Eddy Cue gesagt haben. Mit dieser Zukunftsprojektion läutete er nicht nur ein neues KI-Zeitalter ein – er stellte die digitale Vorherrschaft von Google erstmals offen infrage. Im Zentrum: der 20-Milliarden-Dollar-Deal, der Alphabet zur Standardsuchmaschine auf Apple-Geräten macht - und damit zur Ertragsmaschine für beide Seiten. Doch nun, im Rahmen eines Kartellverfahrens, gerät dieses Modell ins Wanken. Apple erwägt nämlich Alternativen: ChatGPT. Perplexity. Anthropic. KI-gestützte Suche statt Keyword.
Die Märkte reagieren – aber übertreiben sie?
Die Reaktion kam prompt: Alphabet verlor zeitweise über neun Prozent – der stärkste Tagesverlust seit Oktober 2023. Doch war das wirklich ein echtes Erdbeben – oder nur eine Art tektonisches Zittern? Anleger fürchten, dass das Werbegeschäft – bislang unerschütterlich – seine Wachstumsgrenzen erreicht hat. Ein Rückgang klassischer Websuchen in Apples Safari-Browser bestätigt diese Sorgen.
Doch Vorsicht vor vorschnellen Urteilen: Alphabet ist kein Ein-Produkt-Konzern. Vielmehr orchestriert der Tech-Gigant ein vielschichtiges KI-Ökosystem – von Gemini über DeepMind bis zu Search Generative Experience. Während andere noch über Zukunft reden, ist Alphabet längst mit dem Umbau der Gegenwart beschäftigt.
Der Pionier rüstet auf
Mit der für 32 Milliarden Dollar angekündigten Übernahme von Wiz unterstreicht Alphabet seinen Anspruch, nicht nur im Werbemarkt, sondern auch in der Cloud und bei Cybersecurity Standards zu setzen. Die Integration von Wiz in die Google Cloud ist ein strategischer Schachzug, um Microsoft und Amazon im Cloud-Markt herauszufordern.
Auch bei Waymo, dem autonomen Fahrdienst, drückt der Konzern aufs Tempo. Neue Städte, neue Partnerschaften, neue Milliardenmärkte.Waymos KI-gestützte Fahrsysteme nutzen Alphabets jahrzehntelange Expertise in maschinellem Lernen, ein Vorteil, den Apple mit externen KI-Partnern erst aufholen muss. Während Apple seine KI-Strategie noch mit Drittanbietern formt, besitzt Alphabet eigene Lösungen – in Serie, skalierbar, integriert.
Cashflow als Sicherheitsnetz
Und: Mehr als 100 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln bieten Alphabet ein ökonomisches Schutzschild. Rückkäufe, Dividenden, Akquisitionen – der Konzern hat die Wahl. Selbst ein Wegfall des Apple-Deals könnte – ironischerweise – den operativen Gewinn mittelfristig kaum schmälern, da die bislang gezahlten Traffic Acquisition Costs (TAC) entfallen würden.
Die aktuelle Bewertung (2025er-KGV: 16) wirkt vor diesem Hintergrund fast konservativ – zumal im Vergleich anderen Tech-Größen und KI-Favoriten wie etwa Nvidia oder Super Micro Computer. Alphabet bietet Technologie und Tiefe, aber mit Substanz statt Spekulation.
Natürlich bleibt der Gegenwind spürbar: regulatorisch, technologisch, psychologisch. Aber Alphabet ist richtig gut vorbereitet. Mit einem diversifizierten Geschäftsmodell, strategischen Reserven, Innovationskraft. Die Börse hat zwar das Vertrauen in einen Deal verloren – aber bestimmt nicht in die DNA des Konzerns. Wer nicht auf den nächsten Deal, sondern auf die nächste Dekade setzt, findet in Alphabet mehr denn je: Substanz, Skalierbarkeit – und Story. Kurzum: Dabeibleiben.