Es war im Nebenwerte-Bereich einer der Aufreger der vergangenen Woche: Die AKTIONÄR-Alt-Empfehlung All for One Group kann sich dem schwachen Marktumfeld nicht entziehen. Der SAP-Spezialist hat seine Prognose für das Geschäftsjahr 2024/25 nach unten korrigiert und gleichzeitig ein neues Aktienrückkaufprogramm angekündigt. Vorstand Michael Zitz erklärt gegenüber dem AKTIONÄR die Hintergründe, die anstehenden Aufgaben und die Ziele.
DER AKTIONÄR: Herr Zitz, die All for One Group hat ihre Prognose für das Geschäftsjahr 2024/25 nach unten angepasst. Was hat Sie dazu veranlasst, diesen Schritt jetzt zu gehen?
Michael Zitz: Die Entscheidung zur Prognoseanpassung war nicht leicht, aber sie war notwendig und folgerichtig. Wir sehen seit Monaten eine zunehmende Zurückhaltung auf Kundenseite, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung von Investitionen in IT-Infrastruktur und Transformationsprojekte. Diese Zurückhaltung ist stark durch geopolitische Unsicherheiten getrieben – etwa die volatile Lage in Osteuropa, anhaltende Lieferkettenrisiken sowie drohende neue Handelsbarrieren. Gerade Unternehmen im Mittelstand und gehobenen Mittelstand, unsere Kernzielgruppe, agieren in solchen Phasen verständlicherweise vorsichtiger.
Was heißt das?
Obwohl unsere Projektpipeline weiterhin gut gefüllt ist, insbesondere die der Conversions auf SAP S/4HANA, beobachten wir, dass Projektentscheidungen verschoben oder deutlich länger geprüft werden. Vor allem im Segment CORE und bei ERP-Migrationsprojekten sind viele Vorhaben nicht abgesagt, aber sie verzögern sich – mit entsprechenden Auswirkungen auf unsere kurzfristige Umsatz- und Ergebnisentwicklung.
Auch das Geschäft im Bereich Customer Experience scheint unter Druck zu stehen. Was sind hier die Ursachen – und wie gehen Sie damit um?
Der Bereich Customer Experience innerhalb unseres LOB-Segments ist besonders von den strategischen Änderungen bei unserem Partner SAP betroffen. SAP hat das Produktportfolio im CX-Bereich gestrafft und teilweise neu priorisiert. Diese Neuausrichtung hat kurzfristig zu einem Rückgang an Nachfrage und folglich an Umsatz in diesem Teilbereich geführt.

War das nicht zu erwarten?
Das war zwar absehbar, aber in dieser Deutlichkeit doch herausfordernd. Unser Vorteil ist: Wir sind eng in die Roadmap von SAP eingebunden und können unsere Kunden bereits heute bei der Transformation in die neue Cloud Business Suite begleiten. Mittelfristig sehen wir hier sogar gute Chancen für eine Erholung, da die neuen SAP-Lösungen – gerade im Zusammenspiel mit unseren eigenen Produkten – deutlich besser skalierbar und integrativ sind. Unser Ziel ist es, diesen Wandel proaktiv zu begleiten und unsere Kunden frühzeitig für die nächste Generation von SAP-Prozessen zu positionieren.
Trotz des aktuell herausfordernden Umfelds kündigen Sie ein neues Aktienrückkaufprogramm an. Ist das nicht ein Widerspruch zur Prognoseanpassung?
Ganz im Gegenteil. Das Rückkaufprogramm unterstreicht unseren strategischen Weitblick und das Vertrauen in die Zukunft der All for One Group. Es ist ein Zeichen an unsere Aktionäre, dass wir temporäre Marktschwächen nicht als strukturelles Problem sehen. Wir verfügen über eine solide Bilanz, eine stabile Liquiditätslage und haben den Rückhalt unserer Eigentümerstruktur. Mit dem Rückkauf von bis zu 100.000 Aktien – also rund zwei Prozent des Grundkapitals – schaffen wir Wert für unsere Investoren und nutzen die aktuelle Bewertungslücke am Kapitalmarkt. Das Programm ist flexibel angelegt, wird durch ein unabhängiges Kreditinstitut begleitet und kann jederzeit unterbrochen werden. Unser Fokus liegt klar auf nachhaltiger Wertschaffung – und dazu gehört auch ein aktives Kapitalmanagement.
Richten wir den Blick über den Tellerrand: Welche Erwartungen haben Sie für das mittelfristige Wachstum Ihres Unternehmens?
Wir bleiben langfristig auf Wachstumskurs. Unsere mittelfristige Erwartung liegt weiterhin bei einem organischen Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich pro Jahr. Auch wenn wir die Zielmarke von über acht Prozent EBIT-Marge vor M&A-Effekten voraussichtlich erst im Geschäftsjahr 2026/27 erreichen werden – ein Jahr später als ursprünglich geplant –, halten wir an unserem Ziel einer steigenden Profitabilität fest.
Woher nehmen Sie die Zuversicht?
Die Verschiebung ist primär den externen Umständen geschuldet, nicht etwa einer fehlerhaften strategischen Weichenstellung. Unser Geschäftsmodell ist robust, wir verfügen über langjährige Kundenbeziehungen, prozessuales und technologisches Know-how und eine klare Marktposition im SAP-Umfeld. Entscheidend ist, dass wir in der Lage sind, flexibel und proaktiv zu reagieren, insbesondere in der Erbringung von skalierbaren Services, und uns an veränderte Marktgegebenheiten anzupassen.
Sie sprechen von Internationalisierung als strategischem Wachstumspfad. Was genau bedeutet das für All for One?
Unsere Wachstumsstrategie setzt klar auf Internationalisierung, insbesondere innerhalb Europas. In einem ersten Schritt konzentrieren wir uns auf die gezielte Expansion in angrenzende Märkte, etwa über eigene Standorte oder durch strategische Zukäufe. Ziel ist es, unsere Beratungs- und Servicekompetenz auch international verfügbar zu machen – mit einem klaren SAP-Fokus für mittelständisch geprägte Unternehmen.
Ist das alles?
Wir schaffen damit nicht nur neue Umsatzpotenziale, sondern erhöhen auch unsere Resilienz gegenüber nationalen Marktzyklen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Wer sich breiter aufstellt, ist robuster in der Krise. Deshalb investieren wir jetzt gezielt in Strukturen, Mitarbeiter und Prozesse, um unsere Skalierbarkeit international zu erhöhen.
Welche Rolle spielt dabei das neue Operating Model, das Sie neu implementiert haben?
Kombination mit einer Matrixorganisation, die klare Verantwortlichkeiten mit internationaler Skalierbarkeit kombiniert, ist das neue Operating Model ein entscheidender Hebel. Wir denken in Prozessen, das bedeutet: Unsere Kunden profitieren von einer End-to-End-Beratung aus einer Hand – egal ob in Deutschland, Österreich oder künftig verstärkt auch in anderen europäischen Märkten. Gleichzeitig bauen wir unser globales Liefermodell aus. Neben den etablierten Nearshore-Standorten in der Türkei und Ägypten evaluieren wir weitere internationale Standorte, um effizienter und kundennäher zu liefern. Und unser Produkthaus blue-zone rückt stärker in den Fokus: Hier entstehen schnell implementierbare SAP-Erweiterungen – Apps, Add-ons und Cloud-Module –, die unsere Beratungsleistungen optimal ergänzen.

Zum Abschluss: Was stimmt Sie trotz aller Herausforderungen positiv für die Zukunft?
Ganz klar: unsere Mannschaft, unser Geschäftsmodell und unser Marktverständnis. Die Begeisterung, mit der unsere Teams an den Transformationsprojekten unserer Kunden arbeiten, und daran, echten Geschäftsnutzen zu erzeugen, in dem was sie tun, ist bemerkenswert – und das trotz eines herausfordernden Umfelds. Zudem spüren wir, dass unsere Positionierung als verlässlicher SAP-Partner mit Mittelstands- und Branchenfokus zunehmend geschätzt wird. Auch strategisch haben wir die richtigen Weichen gestellt: Internationalisierung, Produktentwicklung, Cloud- und Serviceorientierung, end-to-end Prozessberatung. All das sind Elemente, die uns helfen, langfristig profitabel zu wachsen. Dass wir bereits jetzt viele neue Talente gewinnen und erfahrene Mitarbeitende halten können, spricht ebenfalls für unsere Zukunftsfähigkeit. Deshalb blicke ich – bei aller gebotenen Vorsicht – mit absoluter Zuversicht auf das, was vor uns liegt.
Keine Frage: Die Enttäuschung über die überraschende Prognoseanpassung war groß. Anleger sollten den Kopf nicht in den Sand stecken: Denn aus dem Rücksetzer ergibt sich eine durchaus interessante Einstiegschance bei der Aktie. Die mittelfristigen Perspektiven sind intakt. Die All for One Group hilft mit ihren spezialisierten Tochtergesellschaften, die mittelständisch geprägten Kunden im jeweiligen Markt zur Nummer 1 zu machen. Die Handlungsfelder der Gesellschaft sind vielschichtig. Dabei steht vor allem die notwendige Umstellung von SAP-ERP-Systemen – dem Herzstück eines jeden Unternehmens – auf SAP S/4HANA im Fokus. Nach einer Stabilisierungsphase dürfte der Titel in den kommenden Wochen und Monaten wieder den Vorwärtsgang einlegen. Anleger mit Weitblick können daher auf dem aktuellen Niveau wieder einen ersten Fuß in die Tür stellen.