Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt vor den Folgen einer aggressiven US-Förderung der Kryptoindustrie. Insbesondere der Anstieg dollarbasierter Stablecoins könnte Europas Finanzsystem destabilisieren, heißt es in einem Strategiepapier, das der US-Tageszeitung Politico vorliegt. Die EZB fordert daher eine Überarbeitung des erst kürzlich in Kraft getretenen Regelwerks für Kryptowährungen.
Hintergrund der Sorge ist die von US-Präsident Donald Trump unterstützte Reformpolitik, die den Markt mit dollarbasierten Stablecoins fluten könnte. Die EZB befürchtet einen Kapitalabfluss aus Europa in US-Vermögenswerte, was die finanzielle Souveränität der EU untergräbt und Banken Liquiditätsrisiken aussetzt. Besonders zwei US-Gesetzesvorhaben, das Stablecoin Transparency and Accountability for a Better Ledger Economy (STABLE) und das Guiding and Establishing National Innovation for US Stablecoins (GENIUS), zielen darauf ab, die US-Dominanz im Kryptosektor auszubauen.
Die Europäische Kommission hält die Warnungen der EZB jedoch für übertrieben. Laut Politico, die sich auf zwei Diplomaten und einen EU-Beamten beruft, ist das bestehende der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCA)-Regelwerk jedoch robust genug, um Risiken durch Stablecoins zu bewältigen. „Die Kommission hat klargestellt, dass sie eine andere Sichtweise hat“, erklärte ein Diplomat. Nur wenige Länder unterstützten die Idee, das Regelwerk vorschnell anzupassen.
Der Stablecoin-Sektor hat derzeit eine Marktbewertung von 234 Milliarden Dollar, so Daten von CoinMarketCap. Die EZB warnt, dass europäische Emittenten ohne strengere Limits mit Rücknahme-Druck von EU- und ausländischen Investoren konfrontiert sein könnten. Dies könnte eine finanzielle „Panik“ auslösen und betroffene Institute schädigen.
Auch Tether, Emittent des weltweit größten Stablecoins USDT, steht MiCA kritisch gegenüber. CEO Paolo Ardoino argumentierte bereits letztes Jahr, dass die Vorschrift, mindestens 60 Prozent der Reserven in EU-Banken zu halten, sowohl Stablecoins als auch das Bankensystem gefährden könnte. Aufgrund der Nichteinhaltung von MiCA wurde USDT bereits von großen europäischen Börsen wie Coinbase, Crypto.com und Kraken entfernt.
Der Streit um Stablecoins zeigt das Dilemma der EU. Sie muss ihre Finanzstabilität sichern, ohne die Innovation im Kryptosektor zu ersticken. Während die EZB auf strengere Kontrollen drängt, gibt sich die Kommission noch gelassen. Fakt ist jedenfalls, dass die USA mit ihrer aktuellen kryptofreundlichen Regierung im Vergleich zur EU auf der Überholspur fahren.
Hinweis auf Interessenkonflikte
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