Oft erscheint der Markt den Menschen rätselhafter, als er tatsächlich ist. Wenn man den Markt auf seine einfachste Ebene herunterbricht, erkennt man: Märkte erreichen ein Hoch, wenn jeder investiert ist, und sie erreichen ein Tief, wenn jeder verkauft hat, der verkaufen wollte. Mit anderen Worten: Wenn extreme Euphorie herrscht, steht ein Top bevor, und wenn extreme Angst herrscht, steht ein Boden bevor.
Gastkommentar
Alan Greenspan sagte dazu einmal etwas Ähnliches: „Erst wenn der Markt als völlig ausgelutscht wahrgenommen wird, dreht er nach oben.“
Die schwierigere Aufgabe besteht jedoch darin, zu erkennen, wann diese Extreme erreicht sind. Dafür verwenden wir die Elliott-Wellen-Analyse, um herauszufinden, wann der Markt ein Extrem der Euphorie erreicht. Und: Wir sind fast da.
Vergangene Woche durfte ich auf der MoneyShow in Miami eine Keynote halten. Schon früh wurde mir klar, wie einhellig optimistisch sowohl die Redner als auch die Teilnehmer waren. Tatsächlich hörte ich mehrere Speaker, die man aus dem Fernsehen kennt, das Wort „sicher“ verwenden, wenn es um deutlich steigende Märkte ging. Ich war vielleicht der Einzige, der überhaupt die Möglichkeit eines größeren Bärenmarkts erwähnte.
Bevor man mich für einen Dauerpessimisten hält: Ich wurde auch schon als Daueroptimist bezeichnet – als ich in Artikeln empfahl, 2020 bei 2.200 Punkten und 2022 bei 3.500 Punkten in den S&P 500 einzusteigen. Wie meine Kunden sagen: Ich bin kein Dauerbulle, kein Dauerbär – ich bin auf Dauer profitabel.
Wie bereits erwähnt: Wenn der Markt zu bullisch wird, ist es Zeit für ein Top. Und laut der folgenden Grafik der Fed scheinen derzeit alle in historisch großem Stil in den Markt einzusteigen.

Doch so anekdotisch diese Grafik auch ist – sie sagt nur aus, dass wir uns wahrscheinlich einem bedeutenden Hoch nähern. Die Elliott-Wellen-Analyse zeigt uns, ob das Hoch bereits erreicht wurde. Interessanterweise war das letzte große Hoch im Jahr 2000. Danach folgte eine neun Jahre andauernde Korrektur bis zum Tief der Finanzkrise 2008/09. Da diese Korrektur eine Stufe kleiner war als diejenige, die ich jetzt erwarte, halte ich es für plausibel, dass die bevorstehende Korrektur noch länger andauern könnte.
Was müssen wir also laut unserer Analyse sehen, um ein Top zu bestätigen?
Zunächst kurz zu den Grundlagen der Elliott-Wellen-Theorie: In den 1930er Jahren erkannte Ralph Nelson Elliott, dass die Kursbewegungen an der Börse die unbewussten, irrationalen Reaktionen der Gesellschaft widerspiegeln, die einem sich wiederholenden, fraktalen Muster folgen – also sich selbst ähnliche Muster auf verschiedenen Zeitebenen. Dieses Muster ist Ausdruck der kollektiven Stimmung und folgt den Naturgesetzen, wie sie sich in der Fibonacci-Mathematik zeigen.
Wichtig: Die Muster verursachen nicht die Stimmung – sie spiegeln sie wider. Die gesellschaftliche Stimmung erzeugt die fraktalen Muster, die wir im Markt erkennen.
Elliott stellte fest, dass sich die öffentliche Stimmung im Trend in 5 Wellen und gegen den Trend in 3 Wellen bewegt. Sobald ein 5-Wellen-Zyklus abgeschlossen ist, wechselt die Massenstimmung natürlicherweise ins Gegenteil – nicht durch Nachrichten, sondern als psychologisches Grundmuster des Menschen.
Ich werde die nächste Korrektur sehr genau beobachten. Sollte sie in 5 Wellen ablaufen, wäre das ein erstes Signal für ein mögliches großes Top. Wenn wir dann das April-Tief bei 4.835 Punkten im S&P 500 unterschreiten, wäre das eine Bestätigung dafür, dass ein langfristiger Bärenmarkt begonnen hat. In diesem Fall erwarten wir im ersten Abwärtsimpuls ein Ziel bei 3.500–3.800 Punkten.
Sollte die Korrektur hingegen ein klares 3-Wellen-Muster aufweisen, bereiten wir uns auf eine weitere Aufwärtsbewegung vor, die den S&P 500 möglicherweise über 6.200 Punkte hinausführt – allerdings womöglich erst nach einer Seitwärtsphase bis zum Ende des Sommers.
So oder so: Ob es noch eine letzte Rally gibt oder nicht – aus der übergeordneten Perspektive rechne ich mit dem Beginn eines großen Bärenmarkts. Und die anekdotischen Hinweise auf massive Käufe durch Privatanleger stützen diese Sichtweise.