Die Aktien deutscher Autohersteller haben sich nach einem EU-Vorschlag zu den Änderungen am Verbrenner-Aus schwächer gezeigt. Die hohen Erwartungen im Vorfeld haben sich nicht erfüllt. Viele Marktteilnehmer zeigten sich nach den neusten Beschlüssen der EU enttäuscht.
In der EU sollen nach dem Willen der EU-Kommission auch nach 2035 Autos mit Verbrenner neu zugelassen werden können. Gelockert werden soll das Ziel, dass dann Neuwagen kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen dürfen. Künftig soll es Ausnahmen geben, wonach nur bis zu 90 Prozent CO2 im Vergleich zum Basisjahr 2021 eingespart werden müssen, wenn der Ausstoß durch die Verwendung von umweltfreundlichem Stahl und mehr klimafreundlicheren Kraftstoffen ausgeglichen wird. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen sich nun mit den Vorschlägen beschäftigen.
"Angesichts erhöhter Erwartungen an eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen CO2-Politik für den Automobilsektor gehen wir davon aus, dass das angekündigte Paket bestenfalls als 'im Rahmen' liegend oder sogar als moderate Enttäuschung angesehen wird", schrieb Analyst Patrick Hummel von der UBS in einem Kommentar.
Mit dem Vorschlag sei klar, dass die EU weiterhin anstrebt, dass die überwiegende Mehrheit der Neuwagenverkäufe bis Mitte des nächsten Jahrzehnts vollelektrisch sein wird. Autobauer hätten damit keinen Grund dazu, ihre Investitionsstrategien zu ändern.
"China geht schnurstracks in das Elektroauto und wir glauben uns mit einer permanenten Diskussion Zeit kaufen zu können."
Ähnlich äußerte sich Harald Hendrikse von der Citigroup. Die grundlegende Idee einer Anpassung sehe er zwar positiv, doch der Vorschlag sei nur "das absolute Minimum". Seiner Einschätzung nach priorisiert die EU weiterhin den CO2-Ausstoß gegenüber der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Dies stehe im Gegensatz zur Unterstützung, die die Regierungen in den USA und China ihren Herstellern gewährten. Es ändere sich damit wohl nichts an der Einschätzung vieler Investoren, dass die europäische Autoindustrie derzeit "nicht investierbar“ sei.
"Wir verlieren Zeit, die Chinesen bauen ihren Technologievorsprung weiter aus. Und verlorene Zeit holen sie nicht mehr auf. Verlorene Zeit kann uns die Zukunft kosten."
Ähnlich äußerte sich Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut. „Es könnte sich zum großen Irrweg entwickeln. Die deutschen Autobauer lehnen sich zurück, kappen natürlich Investitionen in das Batterie-elektrische Auto um besseren EBIT– kurzfristig - zu erzielen. Aber der Wettbewerb aus China ist knüppelhart. Wir verlieren Zeit, die Chinesen bauen ihren Technologievorsprung weiter aus. Und verlorene Zeit holen sie nicht mehr auf. Verlorene Zeit kann uns die Zukunft kosten. Um das Jahr 2030 wird man in China 30 Millionen Neuwagen verkaufen, doppelt so viele wie in USA und dreimal so viel wie in der EU. Und China geht schnurstracks in das Elektroauto und wir glauben uns mit einer permanenten Diskussion, Zeit kaufen zu können. Wir kaufen uns keine Zeit, sondern verkaufen unsere Zukunft“, so der Auto-Experte gegenüber DER AKTIONÄR.
Volkswagen: Viele Baustellen
Blick man auf die einzelnen deutschen Hersteller, so zeigt sich ein gemischtes Bild.
Volkswagen hat viele Baustellen zu managen. Im wichtigsten Automarkt der Welt China kommen die ID-Modelle bei den Konsumenten nach wie vor nicht an. Zu wenig innovativ, zu wenig Infotainment, mangelhafte Software. Das wird sich wohl so schnell auch nicht ändern. Echte Gamechanger sind produktseitig nicht in Sicht. Die neuen Modelle des VW.Unyx, 07 und 08, die im Reich der Mitte auf den Markt kommen werden, haben zwar Aufmerksamkeit bei den Konsumenten geweckt, sind nett, aber keine Hingucker.
Und was die Software-Sparte angeht, gab es zuletzt zwar Verbesserungen, aber das grundsätzliche Problem bleibt. Die Stromer von VW sind softwaremäßig so instabil und fehleranfällig, dass die Konsumenten, die problemlosen Updates bei Smartphones gewohnt sind, derartige Probleme bei einem Auto nicht akzeptieren.
Fakt ist: Volkswagen muss Tempo machen. Für den Massenhersteller wird die Luft immer dünner. In Europa ist Renault mit seinen günstigen Elektroautos wie dem Twingo E-Tech Electric vorgeprescht. Aktuell ist es (noch) zu wenig was Volkswagen präsentiert, um die Aktie zum Kauf zu empfehlen.
Mercedes: Neue Modelle
Mercedes-Benz ist einen Schritt weiter. Nachdem die „Luxus pur“-Strategie fallen gelassen wurde, erfolgte die Rolle rückwärts.
Mercedes-Chef Ola Källenius will mit neuen Modellen punkten. Man befinde sich am Anfang einer beispiellosen Produktoffensive, so Källenius. Dem CLA und dem GLC soll ein neues Kompaktmodell folgen. Die Konsumenten sollen also weiterhin „einen bezahlbaren Zugang „zur Marke Mercedes-Benz haben, so Vertriebschef Mathias Geisen gegenüber der Automobilwoche. Erste positive Impulse zur Gewinnentwicklung werden die neuen Modelle von Mercedes-Benz laut CFO Harald Wilhelm aber wohl erst ab 2027 beisteuern.
BMW: Positive Impulse
BMW hat zuletzt positive Impulse gesetzt. Wichtig für die nächsten Monate werden die Modelle der Neuen Klasse, die peu a peu ausgerollt werden. Darüber hinaus ist BMW mit einem starken Portfolio an Verbrennern und Hybriden gut positioniert. Viele Experten sehen BMW vor allem mit den Modellen der „neuen Klasse“ auf Augenhöhe mit der starken Konkurrenz aus China.
Die Modellreihe „Neue Klasse“ bekam einen völlig neuen „Anstrich“. Das Display in Kombination mit vielen digitalen Anzeigen führt zu einem cleanen und sehr futuristischen Innenraum. Die Batterie wurde direkt in die Karosserie integriert, was zu einer höheren Energiedichte und Kosten-Effizienz führt. Auch was die Software angeht, sehen viele Experten BMW mittlerweile auf Augenhöhe mit den chinesischen Herstellern.
Im Vergleich der deutschen Hersteller hab BMW derzeit die Nase vorne. Mit der Modellreihe „Neue Klasse“ könnte auch das Volumen im wichtigsten Automarkt China wieder anziehen.
Enthält Material von dpa-AFX
Heute, 09:45