Der Fall Wirecard wird gerne und häufig heiß diskutiert. Das ist mitunter auch an den Kommentaren unter den Artikeln auf www.deraktionaer.de ersichtlich. Die Diskussion wird selten rational geführt. Daher sitzen vor allem Wirecard-Fans in manchen Fällen einem Irrtum auf, was insbesondere an zwei Meldungen von Anfang März ersichtlich ist.
Dabei geht es um die Stimmrechtsmeldungen von Goldman Sachs (8. März) und Blackrock (7. März), deren Komplexität falsche Schlussfolgerungen nach sich ziehen könnte. DER AKTIONÄR versucht etwas mehr Klarheit in den Sachverhalt zu bringen:

Ein Leser kommentierte einen Artikel von DER AKTIONÄR bezeichnender Weise folgendermaßen: „Allerdings wurde gleichzeitig auch der Anteil über Finanzinstrumente von 1,22 Prozent auf nunmehr 6,53 Prozent erhöht. Damit ist Goldman Sachs nun direkt und indirekt mit 6,8 Prozent der Stimmrechte an der Wirecard beteiligt. Das ist ein signifikanter Anstieg gegenüber der Beteiligung von 1,29 Prozent zuvor. Die Transaktion der US-Amerikaner erfolgte bereits am 27. Februar 2019 und wurde heute offiziell gemeldet. Goldman Sachs hat damit Zugriff auf mehr Aktien der Wirecard AG als der Rivale Blackrock Inc.“
„Goldman Sachs hat damit Zugriff auf mehr Aktien der Wirecard AG als der Rivale Blackrock“ - das ist technisch im Sinne des Wertpapierhandelsgesetz zwar richtig, aber tückisch. Wer nun der Meinung ist, Goldman Sachs wäre derart von Wirecard überzeugt, dass man die Beteiligung an Wirecard hochschraubt, sollte genauer nachlesen.
Die Stimmrechte sind in zwei Abteilungen aufgesplittet. Unter Punkt 7.a. sind direkte Stimmechte aufgelistet. Also im Grund Stimmrechte, die aus direktem Aktienbesitz resultieren. Diese kletterten bei Goldman Sachs von 0,07 Prozent auf 0,27 Prozent. Alles andere als ein massiver Zukauf.
Der Löwenanteil von 5,04 Prozent der (angeblichen) Stimmrechte ist unter Punkt 7.b.1. zu finden. Hier weist Goldman Sachs per 8. März 5,04 Prozent aus. Ersichtlich ist aber auch, dass der Stimmrechtsanstieg bei Goldman Sachs im Wesentlichen auf diese Position zurückzuführen ist. Die Stimmrechte, die Goldman dabei zugerechnet werden, entstammen allerdings einer Wertpapierleihe („Securities Lending“). Wertpapierleihen benötigt man im Grunde nur aus einem Grund: zum Shorten.
Unter Punkt 7.b.2. listet Goldman Sachs zudem eine Reihe von Optionsgeschäften auf. Generell geht aus der Stimmrechtsmitteilung nicht hervor, welchen Ursprung diese Geschäfte haben. Sie können als Hedging-Position für Eigenbestände als auch für Derivate, die Goldman Sachs auf Wirecard begeben hat, dienen. Ähnliches gilt auch für die Position 7.b.1.
Fakt ist: Aus derartigen Stimmrechtsmeldungen eine Positionierung von Goldman Sachs bei Wirecard anzunehmen wäre fahrlässig. Solange weder der von Wirecard versprochene Prüfbericht von Rajah & Tann vorliegt noch Ergebnisse der Ermittlungen der Behörden in Singapur bleibt die Aktie ein No-Go und bestenfalls etwas für Zocker.