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04.10.2005 DER AKTIONÄR

"Der Realität voraus"

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DER AKTIONÄR hat sich mit Max Deml, dem Chefredakteur des Börsenbriefs "Öko-Invest" über den aktuellen Solar-Boom unterhalten. Der Experte warnt vor zu vielen Vorschusslorbeeren für die Neuemissionen.

DER AKTIONÄR hat sich mit Max Deml, dem Chefredakteur des Börsenbriefs "Öko-Invest" über den aktuellen Solar-Boom unterhalten. Der Experte warnt vor zu vielen Vorschusslorbeeren für die Neuemissionen.

DER AKTIONÄR: Die Solarbranche boomt, viele Hersteller können mit der Nachfrage kaum Schritt halten. Zudem droht ein Versorgungsengpass für den Rohstoff Silizium. Wie beurteilen Sie die Perspektiven für die Branche in der näheren Zukunft?

Max Deml: In Folge des Aufbaus weiterer Siliziumproduktionskapazitäten sollte es spätestens ab 2007/08 keinen Mangel mehr geben. Ausserdem kommen Dünnschichtverfahren in Schwung, für die ganz ohne Silizium funktionieren. Die PV-Branche wird in den nächsten Jahren weiter stark wachsen, auch wenn das Tempo des Wachstums bei manchen Unternehmen zurückgehen wird. Anderseits werden sinkende Modulpreise die privaten Nachfrage wieder stärker stimulieren.

Das sprunghaft gestiegene Interesse für erneuerbare Energien ist nicht zuletzt auf die Preisexplosion bei fossilen Brennstoffen zurückzuführen. Wie abhängig ist die Branche Ihrer Einschätzung nach von der Entwicklung des Ölpreises?

Mit der kürzlich angehobenen staatlichen Förderung wird es für immer mehr private Haushalte sinnvoll, Ölheizungen durch solar betriebene Anlagen zu ersetzen. Je höher der Ölpreis, um schneller amortisieren sich die Anschaffungskosten. Nachdem ich mittelfristig mit dreistelligen Preisen pro Barrel rechne, gehört der Sonne schon aus rein ökonomischer Sicht die Zukunft.

Vor der Bundestagswahl wurde viel über mögliche Einschnitte bei der Subventionierung erneuerbarer Energien in Deutschland diskutiert. Ist die Solarbranche der wahre Wahlgewinner?

Bei der Bildung einer großen Koalition ist der schärfste Gegner des EEG, die FDP, nicht in der Regierung. Sowohl CDU/CSU als auch SPD haben dem EEG seinerzeit mit großer Mehrheit zugestimmt. Es ist also keine grundsätzliche Änderung zu erwarten, sondern nur turnusmäßig kleinere Anpassungen. Ausserdem erfordert das EEG keine staatlichen Subventionen, sondern die Mehrkosten werden - zu Bruchteilen eines Cent pro Kilowattstunde - auf alle Verbraucher umgelegt. Nicht zuletzt können alle Politiker froh sein, dass Solarunternehmen in strukturschwachen ostdeutschen Regionen viele neue Arbeitsplätze schaffen, allein Solarworld und Q-Cells bios dato zum Beispiel jeweils rund 700.

An der Börse herrscht derzeit eine regelrechte Solarhysterie. Lohnt es sich auf aktuellem Niveau überhaupt noch langfristig in Solaraktien zu investieren?

Das kommt darauf an. Einige der inzwischen über 22 Aktien des Solaraktien-Index PPVX wie die noch defizitäre 3S Swiss Solar - die Aktie notiert nun, nur wenige Wochen nach der letzten Kapitalerhöhung, fünffach höher - halte ich mit dem 10-fachen Jahresumsatz für heillos überbewertet. Obwohl die Solarbranche nun auch von Daytradern, Zocker-Hotlines, Massen-Email-Tippgebern und sonstigen Glücksrittern entdeckt worden ist, bin ich davon überzeugt, dass die Branche als Ganzes in den nächsten Jahrzehnten eine sonnige Zukunft vor sich hat. International breit aufgestellt Titel wie Solarworld, Q-Cells und Conergy sollte man, auch wenn es immer wieder mal Kursrücksetzer gibt, sehr langfristig halten. Die Solarworld-Aktie ist seit der Aufnahme in den nx-25-Index im Mai 2003 um sagenhafte 5.000 Prozent gestiegen: da schadet es natürlich nicht, mit Teilpositionen zwischendurch auch mal (steuerfreie) Gewinne zu realisieren, den Rest kann man vererben. Unterbewertete Solartitel werden allerdings rar. Derzeit halte ich Phönix Sonnenstrom - bei Kursen von unter 20 Euro ist das Unternehmen mit weniger als einem Jahresumsatz bewertet - auch für Neueinsteiger noch für interessant, sofern die Expansion nach Südeuropa gut gelingt.

Die Solarfirmen Q-Cells, Ersol und Sunline wollen die Gunst der Stunde für einen Börsengang nutzen. Wie beurteilen Sie deren Perspektiven?

Der IPO-Preis von Q-Cells war zwar mit dem auf 38 Euro erhöhten Emissionspreis nicht billig, aber den mittelfristigen Wachstumsperspektiven durchaus noch angemessen. Bei Ersol hatte ich am Beginn der Zeichnungsfrist den Eindruck, dass die Deutsche Bank mit einem Preisband bis 42 Euro so viel herausgeholt hat wie der Markt hergab. Dass die Ersol-Emission trotzdem 50-fach überzeichnet war und bei beiden Titeln die Graumarktkurse gleich um mehr als 50 Prozent über dem Niveau des Emissionspreises lagen, zeigt, dass die Nachfrage riesig ist und Kurse der Realität schon weit vorauseilen. Sunline spielt nicht in der selben internationalen Liga wie die Hersteller Ersol und Q-Cells, da dürfte das Investoreninteresse und die Kursentwicklung an der Börse gemächlicher verlaufen.

Welchen Rat würden Sie einem Anleger mit auf den Weg geben, der sich im Bereich Erneuerbare Energien engagieren will?

Neben Windparks und geschlossenen Solarfonds sowie der "Solar-Optimal"-Einzelanlage der S.A.G. Solarstrom gibt es einige interessante "New Energy"-Zertifikate und -Fonds wie den von Sarasin. Wer lieber in Einzelaktien investiert, dem rate ich bei Kursschwäche zu den Wind- und Solarstrom-Weltmarktführern Vestas Wind Systems, SolarWorld und Q Cells. Im Bereich Solarthermie und Biomasse gibt es noch kaum börsennotierte Aktien, aber risikobewußte Investoren konnten sich zuletzt im Sommer bei den ausserbörslichen Kapitalerhöhungen der Berliner Phönix SonnenWärme AG (zu 1 Euro) oder der Wiener EBES European Bio Energy Systems AG (zu 10 Euro) engagieren. Keine großen Kursgewinne, aber saubere Energie - und einige Prozent jährliche Rendite - liefert schließlich auch das Investment in eine Solaranlage auf dem eigenen Dach!

Herr Deml, wir bedanken uns für das Gespräch!

Das Interview führte Michael Lang.

Artikel aus DER AKTIONÄR (41/05).

 

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