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03.02.2016 Jochen Kauper

Volkswagen-Aktie legt den Rückwärtsgang ein – bald wieder unter 100 Euro?

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Volkswagen

Für den krisengeschüttelten VW-Konzern ist die Ausnahmesituation derzeit Normalzustand. Jedes Wort liegt auf der Goldwaage, jede Information scheint Gold wert. Das bringt die absurde Lage, dass schon Termine zum Politikum werden. Am Mittwoch ist es wieder soweit. Der innere Zirkel des Aufsichtsrats tagt. Nur darf das keiner wissen. Das ist bei Konkurrenten wie BMW und Daimler nicht viel anders. Doch herrscht bei VW derzeit beispiellose Aufregung.

Viele ungeklärte Fragen

Aktuell schreit alles nach Kommunikation. VW-Kunden haben so viele Fragen wie nie. Zum Beispiel die hier: Wann sind welche VW-Modelle mit dem Rückruf dran, etwa der Verkaufsschlager Golf? Unklar. Warum schreibt VW nicht wenigstens generell einmal alle hierzulande 2,5 Millionen betroffenen Halter an, um zumindest anfänglich Klarheit zu schaffen? Unklar. Was steckt hinter dem ominösen "Gesamtpaket", mit dem VW betroffene Kunden in Europa - anders als in den USA - ohne Bargeld besänftigen will? Unklar. Wer traf damals die Entscheidung, weltweit elf Millionen Dieselfahrzeuge mit einer illegalen Software auszurüsten? Unklar. Enden noch mehr Leiharbeiterverträge? Unklar.

Anwälte haben das Sagen

Es ist verständlich, dass der Konzern vieles nicht so kommunizieren kann, wie es sich Marketing und Pressestelle mitunter wünschen. Denn Heerscharen von Anwälten, gerade in den USA, protokollieren alles. Im Zweifel haben derzeit die VW-Juristen das Sagen - auch wenn das dazu führt, dass lieber keiner etwas sagt oder zu spät. Die Angst geht um. Milliardenstrafen drohen längst, der Aktienkurs ist tief im Keller.
Mehr als je zuvor hütet der Konzern daher in diesen Tagen die Termine des Aufsichtsratspräsidiums wie ein Staatsgeheimnis. Das sechsköpfige Gremium um Hans Dieter Pötsch bildet den Kern der 20 VW-Kontrolleure. Spätestens mit dem Machtkampf und späterem Rücktritt von VW-Patriarch Ferdinand Piëch vor einem Jahr sind die Zusammenkünfte des Präsidiums von öffentlichem Interesse. Das gilt erst recht im Diesel-Skandal.
Diesen Mittwoch ist es wieder soweit. Offiziell bestätigt das keiner. Auch der nach der Familie Piëch/Porsche zweitgrößte VW-Aktionär Niedersachsen hält sich bedeckt. In den an die Medien verschickten Terminkalendern der Landesregierung fehlen Präsidiumstermine, obwohl sie für das Mitglied, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), zu den wichtigsten Ereignissen zählen. In Niedersachsen hängen locker 120 000 Jobs direkt an VW, zudem Zehntausende indirekt.
Das Schweigegelübde führt dazu, dass zwar die Verleihung des "Goldenen Spatzen" an Dete Kuhlmann, Stadionsänger der Fußballprofis von Hannover 96, ebenso einen Eintrag wert ist wie die Anwesenheit des Regierungschefs bei der "Erstürmung" der Staatskanzlei durch die Lindener Närrinnen, bei der es um die Unversehrtheit seiner Krawatte geht. Weils Präsidiumssitzung am 3. Februar, 16.00 Uhr, in Etage fünf des Vorstandsgebäudes BT10 am VW-Stammwerk in Wolfsburg, ist dagegen nach außen nicht vorhanden. Die Treffen haben es regelmäßig in sich. Beim jüngsten im Januar sah sich VW veranlasst, es als Spekulation abzutun, dass der Stuhl von Konzernboss Matthias Müller wackele.

Die Gemengelage ist heikel. Und das liegt mitunter auch am Hang der Medien, ein schnelllebiges Geschäft zu führen. Ein Präsidiumstermin allein kann da für Spekulationen schon reichen. Also will der Konzern sie nicht nur nicht bekanntgeben, sondern auf Nachfrage auch nicht bestätigen. Das aber löst einen Erwartungsdruck mit Eigendynamik aus. Die Zwickmühle ist perfekt: Reden hilft nicht. Schweigen auch nicht.
Schon die Bitte an Konzern und Staatskanzlei um eine offizielle Aussage, warum die Präsidiumstermine so sehr geheim sind, führt zu einem Eiertanz. Antwort: Das sei halt so. Basta. Zugegeben: Mit der Beteiligung der öffentlichen Hand hat es VW auch nicht leicht. BMW und Daimler sind nur den Aktionären verpflichtet, aber VW ist eben kein Unternehmen wie jedes andere, sondern auch ein wenig staatsnah.

Ruhe erwünscht

Jemand aus den Kreisen des sechsköpfigen Präsidiums betont, es sei ja verständlich, dass das Gremium ohne Belagerungszustand arbeiten wolle. Wenn es besonders geheim sein muss, etwa damals im Frühling 2015 vor dem Rücktritt des VW-Aufsichtsratschefs Piëch, tagt das Präsidium am Braunschweiger Flughafen, wo Beteiligte unerkannt aus dem Flugzeug direkt in die völlig abgeschirmte Sitzung gelangen. Auch in Wolfsburg oder an alternativen Orten wie dem Gästehaus der Landesregierung in Hannovers Zoo-Viertel halten Kameras niemanden vom Arbeiten ab.
Aber bei VW heißt es, dass eben allein schon die Bestätigung eines bloßen Präsidiumstermins eine nervöse Erwartungshaltung auslösen könne, die für die Aufklärung der Affäre nicht eben förderlich sei. Naturgemäß seien Aufsichtsratsangelegenheiten nun einmal vertraulich. Rutschten Termine zum Beispiel einmal außerplanmäßig auf die Agenda, könnten die Börsianer im Extremfall schon mit Neuigkeiten rechnen. Kaum auszudenken, was da eine offizielle Ankündigung auslösen könnte.



Langer Atem gefragt

Der Eiertanz um den Termin lässt ahnen, wie schwer sich der Konzern unter Umständen tut, wenn es erst einmal um inhaltliche Fragen geht. Da ist es auch kein Wunder, dass die Aktie wieder Richtung 100 Euro tendiert-. Ohnehin ist das Börsenumfeld ruppig und die Zulassungszahlen von VW waren erwartungsgemäß schwach. Dennoch: Es bleibt dabei: auf Sicht von 12 bis 24 Monaten sollte sich eine Investition in die VW-Aktie auszahlen. Nur für Anleger mit guten Nerven!

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(Mit Material von dpa-AFX).

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